KOMMENTAR
Den Sport zu vermessen, verschiedene Sportarten auf dieser Basis miteinander zu vergleichen – eine hübsche Idee, die nun in England umgesetzt wurde. Ganz ehrlich: Wir hatten sie schon vor fast 30 Jahren, als es in München das Tennisturnier um den Grand Slam Cup gab, das wegen seiner exorbitanten und als unmoralisch empfundenen Gewinnsumme in der Kritik stand. Da wollten wir wissen: Was leisten die Tennisstars eigentlich für das viele Geld? Wir stoppten die Zeit mit, in der der Ball tatsächlich im Spiel war. Ein paar Minuten pro Satz – kärglich. Die meiste Zeit wurde gestanden, aufgetippt, am Shirt genestelt. Doch wer erinnert sich an den vielen Leerlauf, den es bei einem Tennismatch immer gibt? Niemand. Beim Fußball zählt man auch nicht die Unterbrechungen und Einwürfe. Es würde einem den Spaß daran nur verleiden.
Boxen also ist laut Auswertung der Agentur „Blueclaw“ aus Großbritannien der „most exciting sport“, der aufregendste Sport. Und ja: Es gibt Kämpfe für die Ewigkeit, Bilder von Niederschlägen, die sich ins Gedächtnis brennen. Doch dass Boxen viele Menschen fasziniert, liegt nicht an den Werten, die sich in zwölf mal drei Minuten (oder bei Knockout in weniger Zeit) messen lassen. Zum Boxen gehen die Leute auch wegen des Glamours drumherum, wegen der Walk-in-Show, wegen des Kontrastes: Im Ring Schweißperlen, in den vorderen Reihen Perlen um den Hals oder am Handgelenk. Und viele schätzen die Nähe, die die Fernsehübertragung herstellt: Wenn man so nahe dran ist wie nur der Ringrichter und in der Minute zwischen den Runden die Motivationsansprachen des Trainers hören kann.
Jeder Sport hat seine fesselnden Seiten – und dafür braucht es nicht zwingend Spektakel. Eine Tour-de-France-Etappe kann uns wegen des Pyrenäen-Panoramas an den Bildschirm fesseln, beim Biathlon sorgt bereits das Anlegen des Gewehrs und das Fixieren des Ziels für Spannung, beim Slalom begleitet die Einfädel-Furcht jeden Torschwung. Und wer beim Sport schauen zur Ruhe kommen will: Rudern – wunderbar meditativ. Oder Curling. Und Snooker. Obwohl: Das soll ja fast so mitreißend sein wie Fußball – sagen die Daten.