Schnell ab durch die Mitte

von Redaktion

FC Bayern – Gladbach: Taktikexperte erklärt, was der Schlüssel zum Sieg ist

VON JOSÉ CARLOS MENZEL LÓPEZ

München – Die Rechnung ist relativ simpel. Siegen die Bayern an diesem Samstag beim Tabellenführer aus Gladbach, bleiben sie (bei einem Leipziger Sieg gegen Hoffenheim) höchstens drei Punkte von der Spitze entfernt. Setzt es nach dem 1:2 gegen Leverkusen die nächste Pleite, verlieren die Münchner die Fohlen bei dann sieben Punkten Rückstand langsam aber sicher aus dem Radar. Hansi Flick weiß um die Bedeutung des Duells im Borussia-Park, war bei der Presserunde vor dem Spiel gegen den Dauerrivalen aus den Siebzigern jedoch um Entschleunigung bemüht. „Gladbach ist Tabellenführer, wir sind Vierter“, so der Cheftrainer des FC Bayern, „aber wir reisen mit Selbstvertrauen an und können jeden Gegner bezwingen.“

Den Bayern gegenüber steht diesmal nicht irgendein Gegner, sondern die Senkrechtstarter der Bundesliga: Marco Rose. Der Ex-Trainer von Red Bull Salzburg hat es geschafft, seinen Gladbachern ein neues, dynamisches Gesicht zu verleihen, das dem der Flickschen Münchner in der strategischen Ausrichtung sehr ähnelt. Beide Mannschaften setzen auf aggressives Gegenpressing, beide wollen Umschaltmomente für sich nutzen. Taktikexperte Constantin Eckner von der Fachseite „spielverlagerung.de“ erklärt in unserer Zeitung, wo die Schlüssel zum Sieg liegen:

1. Roses Burschen sind bekannt für ihre bedrängende Art. Ein geordneter Spielaufbau ist gegen seine Fohlen eine Utopie, schließlich wird der Gegner immer und überall angelaufen, gestört und so zu Fehlern gezwungen. Anders als bei anderen Teams geschieht dies bei der Borussia jedoch „auf dem gesamten Spielfeld“, wie Eckner erklärt: „Die Borussia übt ihr Pressingspiel in allen Zonen überdurchschnittlich intensiv aus. Sie setzt auf mehrere Pressingphasen, sowohl vorne, als auch in der Mitte und hinten.“ Besonders wichtig: systematisches Pressing! Eckner: „Meistens versuchen sie, den Gegner auf ihre rechte Seite zu drücken und dort Balleroberungen zu forcieren.“ Klappt das, geht es von dort aus ohne Umwege in Richtung gegnerisches Tor. 2. Das aggressive Anlaufen ist im Borussia-Park nur Mittel zum Zweck. Ausschlaggebend für den momentanen Tabellenplatz ist das, was nach erfolgreichem Anlaufen geschieht. Anstatt das Leder in sichere Gefilde zu befördern und von dort aus geordnete Angriffe einzuleiten, will Gladbach die Unordnung des Gegners bei Ballverlusten ausnutzen und schlägt nach Balleroberung eiskalt zu. „Gladbach fährt besonders viele Umschaltangriffe“, präzisiert Eckner. „Statistisch gesehen kommen sie auf 1,4 Abschlüsse nach Kontern, das ist Maximalwert in der Bundesliga. Und diese Abschlüsse sind insofern gefährlich, da sie blitzschnell und somit in der Regel aus unbedrängter Position stattfinden.“

3. Baut die Rose-Truppe von hinten auf, verfolgt sie ebenfalls einen strikten Plan. Hierbei setzt der Spitzenreiter auf „Asymmetrie“, so nennt es jedenfalls der Experte. Genauer: „Erfolgt der Aufbau beispielsweise über ihre linke Seite, so verringern die Spieler die Entfernung zum Ball, machen das Spielfeld dadurch kleiner und locken den Gegner so auf die Seite des ballführenden Spielers“, so Eckner. Haben sich die Gladbacher den Gegner zurechtgelegt, geht es erneut ganz schnell. „In diesen Situationen schlagen sie dann ganz gerne den Diagonalball auf ihre schnellen Flügelspieler – meistens sind das Stefan Lainer rechts und Marcus Thuram links –, die aufgrund der Seitenverlagerung des Gegners frei stehen und unbeschwert die Linie entlanglaufen können“, weiß Eckner.

4. Geht es nach dem Fußball-Fachmann, müsste die Herangehensweise der Bayern daher klar sein. Die Münchner zählen einige spielstarke Spieler zu ihren Reihen, weshalb der Fokus darauf liegen muss, die Pressinglinien der Borussia schnell und gezielt zu überspielen. Eckner: „In der Abwehr sind die Gladbacher nicht allzu gut aufgestellt wie vorne. Wäre ich Hansi Flick oder Hermann Gerland, würde ich versuchen, in Ballbesitz durch die Mitte schnell zu einem Zielspieler zu kommen.“ Bei Dortmund, die Gladbach in der laufenden Saison zweimal schlugen (1:0 in der Liga, 2:1 im Pokal), war dieser Zielspieler Marco Reus, sein Pedant bei Bayern wäre Robert Lewandowski. „Er ist der Schlüssel, denn er kann den Ball auf die Außenbahnen ablegen, damit Kinsley Coman oder Serge Gnabry ins Eins-gegen-eins kommen“, so Eckner: „Hier ist Gladbach verwundbar.“ Und Bayern gefährlich.

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