München – Viel Zeit zum Genießen ist Viktoria Rebensburg nicht geblieben. Nach dem letzten Weltcup-Rennen in Lake Louise geht es traditionell immer etwas hektisch zu bei den deutschen Skirennläuferinnen, denn der Rückflug ist noch für denselben Abend gebucht. Dieses Mal war noch mehr Eile geboten, denn die 30-Jährige aus Kreuth musste am Sonntag bis zum Schluss ausharren an der Strecke. Schließlich war sie als Gewinnerin des Super-G-Rennens im kanadischen Skiresort die Hauptperson bei der Siegerehrung. Wie eine gute Woche zuvor Thomas Dreßen bei seinem Abfahrtserfolg auf gleicher Piste bekam auch sie den obligatorischen weißen Cowboyhut überreicht.
Wichtiger aber war Rebensburg, mit einem roten Trikot für die Führung in der Disziplin-Wertung gestern nach Hause gekommen zu sein. Zwar hatte sie wohl eher mit dem im Riesenslalom spekuliert, aber es scheint, dass sich langsam bewahrheitet, was Cheftrainer Jürgen Graller schon länger behauptet. Der Super-G, findet der Österreicher, sei die ideale Disziplin für die Kreutherin. „Ich habe selten eine Athletin gesehen, die so perfekte Voraussetzungen dafür mitbringt wie die Vicky“, sagte er bereits in der vergangenen Saison. Gemeint sind damit die schnellen Schwünge, wie es Rebensburg aus dem Riesenslalom gewohnt ist, gepaart mit ihrer Risikobereitschaft für hohe Geschwindigkeiten „Wenn sie im Kopf soweit ist, sehe ich im Super-G nicht so viele, die ihr den Platz an der Sonne streitig machen können“, sagt Graller.
Im Moment jedenfalls nicht. Wobei es sich für Rebensburg, wie sie sagt, „gar nicht so angefühlt“ habe. Als sie im Ziel abschwang, hatte sie mehr als eine Sekunden Vorsprung vor der bis dahin Führenden, am Ende schafften es zwar noch ein paar Läuferinnen, ihr etwas näher zu rücken, aber die Zweite, Nicol Delago aus Italien, war deutliche 0,35 Sekunden langsamer. „Es war wirklich fein“, fand Rebensburg schließlich auch.
Sie hat das letzte Rennen in dieser Disziplin der vergangenen Saison gewonnen und das erste des neuen Winters – damit ist ihr eine kleine Serie gelungen. Für Graller ist das aber nicht genug. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, aus einer der besten Riesenslalomfahrerin der Welt die beste Super-G-Athletin zu machen. Grundsätzlich hätte Rebensburg auch nichts dagegen – solange das Training für den Riesenslalom darunter nicht leidet. Ihr Herz hängt eben an jener Disziplin, in der sie 2010 Olympiasiegerin wurde und dreimal die Kristallkugel für die Saisonbeste gewann. Der Erfolg von Lake Louise hat sie nun wohl ein wenig ins Grübeln gebracht, ob sie tatsächlich wie geplant ein paar Speedrennen auslassen soll. „Das ist nicht so einfach“, gibt Rebensburg zu. Denn in einer Saison ohne Großereignis – und aufgrund der Dominanz von Mikaela Shiffrin ohne Chance auf den Gesamtweltcup – bietet es sich an, die Kräfte zu bündeln. Ihre ewige Konkurrentin Tessa Worley, hat auf die Rennen in Kanada verzichtet, um sich auf den nächsten Riesenslalom in Courchevel in zehn Tagen vorzubereiten. Für Graller sind die Ergebnisse von Lake Louise – in der Abfahrt wurde Rebensburg Vierte und Neunte – gute Argumente, „dass wir da nicht locker lassen“.
Wolfgang Maier, Alpinchef im Deutschen Skiverband, dürfte den Cheftrainer dabei vermutlich unterstützen, denn auch er sieht bei seiner Besten Speedpotenzial, das noch nicht ausgeschöpft ist. Für ihn sind die beiden Siege von Rebensburg und Dreßen bei der Nordamerika-Tournee des Weltcups „so etwas wie Elixier für das Team“. Er findet: „Das sorgt für Motivation.“ Womöglich auch bei Rebensburg, sich noch mehr dem Super-G zu widmen.