Russisches Nachspiel

von Redaktion

Putin spricht von „politisch motivierter“ Vierjahressperre seitens der WADA

Köln – Schnelle Klarheit oder monatelange Hängepartie? Nach der beispiellosen Dopingstrafe für Russland wartet die Sportwelt gebannt auf die Antwort der Sport-Großmacht. In einer ersten Reaktion ließ Staatspräsident Wladimir Putin bereits erkennen, dass Russland die Vierjahressperre mit Auswirkungen auf Olympia 2020 und 2022 sowie die Fußball-WM nicht auf sich sitzen lassen wird. Die Bestrafung seitens der WADA bezeichnete Putin als „politisch motiviert“, dem „russischen Olympischen Komitee ist nichts vorzuwerfen.“ Russland habe „alle Gründe, Einspruch einzulegen“, betonte Putin zudem. 21 Tage Zeit hat das Riesenreich, um gegen die wegen manipulierter Dopingdaten ausgesprochenen Sanktionen vorzugehen. Laut des Chefs der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA, Juri Ganus, soll eine Entscheidung am 19. Dezember fallen. Vorerst deutet einiges darauf hin, dass man sich auf einen langen Rechtsstreit einzustellen hat.

„Es ist sicher für die Öffentlichkeit und vor allem für die betroffenen Athleten der denkbar schlechteste Weg, es auf langwierige, komplexe und undurchsichtige juristische Verfahren ankommen zu lassen“, sagte NADA-Vorstand Lars Mortsiefer. Doch auch er rechnet mit einem Nachspiel: „Ein Schlussstrich wird weder juristisch noch politisch schnell möglich sein.“ Denn selbst wenn die RUSADA nicht vor den CAS zieht, haben noch weitere beteiligte Parteien wie beispielsweise internationale Verbände die Möglichkeit dazu.

Und wie stehen die russischen Chancen vor dem CAS? Ganus rechnet jedenfalls nicht mit einem Erfolg. „Es gibt keine Möglichkeit, diesen Fall vor Gericht zu gewinnen“, sagte er. Auch Jonathan Taylor, Chef der WADA-Prüfkommission CRC, betonte, er rechne nicht mit einer Niederlage vor Gericht.

Der Sportrechtler Michael Lehner würde Russlands Gang vor den CAS begrüßen, alleine schon um Rechtssicherheit herzustellen. „Die kriegen wir im Schiedsgerichtssystem der internationalen Sportgerichtsbarkeit nur über den CAS“, sagte er. Den WADA-Entscheid sieht er jedenfalls kritisch. „Ob das in der Abwägung zwischen Individualschuld und Globalschuld wirklich gerecht und angemessen ist, wage ich zu bezweifeln“, sagte der Jurist.

Bei einem Einspruch rechnet auch Lehner mit einem langwierigen Verfahren, das sich durchaus bis Olympia 2020 in Tokio ziehen könne. „Das ist eine verdammt kurze Zeit. Ein halbes Jahr beim CAS ist gar nichts“, sagte er.

Das Problem: Bis zu einer finalen Entscheidung treten keine Sanktionen in Kraft, jeder Einspruch hätte aufschiebende Wirkung. Bereits am Montag stellte die WADA klar, die Strafen gelten wegen der kurzen Vorlaufzeit nicht für die im Januar stattfindenden Olympischen Jugendspiele in Lausanne. Die laufende Handball-WM der Frauen ist ebenso wenig betroffen – dort qualifizierte sich Russland gestern für das Halbfinale. Die erste betroffene WM wäre die Rodel-WM in Sotschi (Februar).

Bereits vergebene Events müssen Russland allerdings nur weggenommen werden, „wenn es juristisch und praktisch“ möglich sei. Das scheint bei einer in zwei Monaten stattfindenden WM unwahrscheinlich. Viele Verträge sind schon unterschrieben. Ohnehin scheinen viele Aspekte der Umsetzung noch schwammig und könnten von Sportart zu Sportart unterschiedlich ausfallen.

Ausgeschlossen scheint dagegen ein Olympia-Boykott von russischen Seite. „Natürlich“ müsse Russland gegen die Entscheidung der WADA vor dem CAS „kämpfen“, sagte Wassili Titow, Präsident des Turnverbandes, aber unabhängig vom Ergebnis „müssen wir zu den Olympischen Spielen fahren und daran teilnehmen“. Ein Boykott sei „in keiner Weise“ eine Option.  dpa

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