„Der Wurm ist drin“

von Redaktion

Deutsche Biathletinnen hoffen nach Desaster auf Trendwende

Hochfilzen – Für ihr „Bombenrennen“ am Ende eines fürchterlichen Weltcups belohnte sich Vanessa Hinz mit alltäglichen Dingen. „Ich freue mich brutal auf meine Familie. Ich gehe erstmal heim und dort auf den Weihnachtsmarkt“, kündigte die 27-jährige Schlierseerin an, nachdem sie das blamable Wochenende der deutschen Biathletinnen in Hochfilzen mit einer versöhnlichen Aufholjagd abgeschlossen hatte.

Ihr Sprung von Rang 42 auf Platz zwölf in der Verfolgung war für die erfolgsverwöhnten Skijägerinnen das Höchste der Gefühle gewesen, Hinz fand auch die deutlichsten Worte für das historisch schlechte Abschneiden. „Wenn die Sch… erst einmal dranklebt, dann klebt sie so richtig dran“, haderte sie und skizzierte vor dem anstehenden Weltcup im französischen Le Grand Bornand (19. bis 22. Dezember) mit viel Galgenhumor die düstere Situation: „Von uns erwartet ja im Moment ohnehin niemand was.“

Zweieinhalb Jahre nach dem Wintermärchen von Überfliegerin Laura Dahlmeier laufen die Biathletinnen den Erwartungen nämlich hoffnungslos hinterher. Nach dem holprigen Auftakt in den Winter entpuppten sich die Rennen im WM-Ort von 2017, wo Dahlmeier fünfmal Gold gewonnen hatte, nicht als der erhoffte Schritt nach vorne, sondern als geschichtsträchtiger Tiefpunkt.

Im Sprint am Freitag hatte es keine Athletin des Deutschen Skiverbandes (DSV) in die Top 40 geschafft und Denise Herrmann als 41. das „beste“ Ergebnis geliefert. Einen Tag später, als die Wiedergutmachung für das Debakel in der Staffel erfolgen sollte, landete das DSV-Quartett auf dem zwölften Rang. Beides ein Novum – in die falsche Richtung.

„Der Wurm ist drin, es läuft einfach nichts zusammen“, sagte der Sportliche Leiter Bernd Eisenbichler, der alle Verantwortlichen in die Pflicht nahm: „Wir müssen die Situation in den Griff bekommen, wieder in die Spur finden und mit den Mädels sprechen.“ Draufhauen und nun alles in Frage stellen, betonte er allerdings, wäre das falsche Signal.

Auch das hatte das unerfreuliche Wochenende ja gezeigt. Nach dem desaströsen Sprint „sind wir mit der ein oder anderen hart ins Gericht gegangen“, verriet Trainer Florian Steirer. In der Staffel wirkte das gesamte Team dann verkrampft – und Steirer beantwortete die Frage nach einer Einschätzung prompt mit einem enttäuschten „jetzt bitte nicht“.

Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer glaubt jedoch, dass die Trendwende noch vor Weihnachten in Frankreich gelingen kann. „Wenn man Sicherheit und Selbstvertrauen hat, dann kann das relativ fix gehen. Da reicht auch nur ein Wettkampf, dann kann die Spirale wieder nach oben gehen.“ Genau das wird die Herausforderung sein für Damen-Nationalmannschaft.

Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner sieht das Trainerduo Mehringer/Steirer in einem Dilemma. „Ich möchte nicht in ihrer Situation sein und entscheiden müssen, ob nun jemand getauscht wird oder nicht“, sagte die ARD-Expertin: „Das Team hat ja geschlossen keine guten Leistungen erbracht.“ Aus der zweiten Reihe bietet sich ohnehin nur Maren Hammerschmidt an, die zuletzt im zweitklassigen IBU Cup startete und dort am Wochenende in Ridnaun die Ränge 4 (Massenstart) und 5 (Sprint) belegte.

Fakt ist, dass spätestens vor den Heimspielen in Oberhof und Ruhpolding zu Beginn des kommenden Jahres etwas passieren muss. Personelle Wechsel? Eine Adventsfeier, wie von Neuner vorgeschlagen, um die Köpfe freizubekommen? Oder einfach nur ein kleiner Lichtblick?

„Wir benötigen definitiv wieder ein Hocherlebnis“, sagte Hinz, die am Rande des Weltcups mehrmals auch die Medien kritisiert hatte. Weil diese zu großen Druck aufbauen und zudem zu oft nach Dahlmeier fragen würden. Wie wichtig eine Ausnahmeläuferin wie Dahlmeier allerdings war, zeigt sich ausgerechnet in der jetzigen Situation.

Ganz egal, ob Dahlmeier nämlich einen herausragenden Tag erwischte oder – ausnahmsweise – hinter ihren Erwartungen zurückblieb: Sie stand im Fokus und ermöglichte den Teamkolleginnen, ohne Druck und große Aufmerksamkeit ihr Ding durchzuziehen. Das ist spätestens nach dem unerfreulichen Auftritten in Hochfilzen nicht mehr möglich.  sid

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