Es gab noch Zeiten beim FC Bayern – und die sind gar nicht so lange her –, da wartete man Sommer für Sommer, wann Javi Martinez endlich abgelöst werden würde. Nicht auf dem Platz, da war der Spanier lange unantastbar, sondern als Rekordtransfer des Rekordmeisters. 40 Millionen Euro hatten die Münchner im Jahr 2012 berappt, um den Defensiv-Stabilisator von Athletic Bilbao an die Isar zu locken. Erst fünf Jahre später gab man 41,5 Millionen Euro für Corentin Tolisso aus, im vergangenen Sommer dann waren 80 Millionen für Lucas Hernandez ein Meilenstein. Zumindest für ein Jahr.
Es wird in ein paar Monaten keine Überraschung sein, wenn auch bei Bayern, einem Club, der sich lange gegen den Transfer-Wahnsinn gewehrt hat, die 100-Millionen-Marke fallen wird. Wer im Konzert der Großen mitspielen will, muss aberwitzige Summen in die Hand nehmen, und wer sich einen Spieler der Klasse Leroy Sané als Objekt der Begierde ausgesucht hat, sowieso. Die von Manchester City im vergangenen Sommer aufgerufene Summe von 150 Millionen Euro für den Transfer des 23-Jährigen hat man nicht gezahlt, weil eine Verletzung die Personalie verschob. Sanés Marktwert ist freilich gefallen, Qualität hat aber trotzdem ihren Preis.
Die Bayern wissen genau, wie ihre Mannschaft in der kommenden Saison aussehen soll. Aller Voraussicht nach wird sie in Sané und Leverkusens Kai Havertz zwei deutsche Hoffnungsträger als Säulen der Zukunft integrieren, die beiden sind eingeplant. Dass Sané nun schon im Winter bereit für die angedachte Luftveränderung wäre, wird die Bosse an der Säbener Straße eher nicht dazu bringen, den weihnachtlichen Festbraten für Verhandlungen mit Manchester City sausen zu lassen. Sie wären nicht gut beraten, sich noch im Jahr 2019 zu einem Schnellschuss verleiten zu lassen.
Für den Club hat es nur Vorteile, Sanés Entwicklung abzuwarten und zu beobachten. Gelingt das angestrebte Comeback im Februar, verpflichten sie im Sommer einen Spieler, der sich bei bester Gesundheit integrieren kann. Gelingt es nicht und zieht sich die Rückkehr – bei einem Kreuzbandriss nicht ungewöhnlich –, haben sie in den Verhandlungen eine gute Position. Womöglich wären dann tatsächlich unter 100 Millionen Euro Ablöse denkbar. Aber über 40 Millionen Euro wie damals für Martinez wird man im Sommer nur noch lachen.
hanna.raif@ovb.net