Eigentlich hätte dieser Freitag für die deutschen Handballer ja ein ziemlich märchenhafter Tag werden können. Johannes Bitter kehrt zurück. Ein Weltmeister von 2007 hat sich mit konstant starken Auftritten ins Aufgebot des Deutschen Handball Bundes (DHB) zurückgekämpft. Die Berufung des Stuttgarters hätte die Geschichte des Nominierungstages für die EM in Norwegen, Schweden und Österreich werden können.
Hätte es nicht diese neuen Misstöne gegeben. Der Berliner WM-Allstar Fabian Wiede will bei den Titelkämpfen nicht mitmachen. Aus Kiel kam die Absage von Steffen Weinhold auf den Tisch von Bundestrainer Christian Prokop. Und das ist zumindest pikant, da das Duo derzeit noch munter in der Bundesliga seine Kreise zieht. Beide wollen die EM-Pause zur Behandlung von Blessuren nutzen. Was die Sache für Prokop besonders prekär macht, ist die Bündelung der Ausfälle. Gleich fünf Stammkräfte aus dem so wichtigen Rückraum sind nicht dabei, wenn die DHB-Auswahl am 9. Januar die Mission EM beginnt.
Das Dumme für Prokop ist: Wenn es so weit ist, dann werden sich an diesen Umstand nicht viele erinnern. Die Erwartungen an ihn und sein Ensemble werden nicht kleiner sein. Und das hat nicht alleine mit den traditionell hohen Erwartungen an die Teams aus dem Land der besten Liga der Welt zu tun. Auch für Prokops Arbeitgeber DHB wäre ein erfolgreiches Abschneiden essenziell. Das erste Großereignis nach der teilweise rauschhaften Heim-WM wird zeigen, in welche Richtung die Entwicklung der Sportart geht. Steil nach oben wie im Januar 2019 als man mit dem WM-Halbfinale sogar das Fernsehereignis des Jahres stellte. Oder zurück ins Mittelmaß wie nach der WM 2007, als der Rückenwind des Titelgewinn in Rekordzeit in eine böse Flaute mündete.
Aber Prokops Mission mag kniffliger geworden sein – unmöglich ist sie auch nach den vielen Absagen nicht. Verletzungen sind in der Disziplin der Vielspieler nichts Neues. Auch zur EM 2016 in Polen reiste das DHB-Team mit argen Personalsorgen – am Ende stand dennoch der Titelgewinn. Wer weiß: Vielleicht macht Johannes Bitter den Unterschied. Und sei es nur, wenn er so wie 2007 als Nummer zwei die Nummer eins zur Höchstleistung treibt. Stammkeeper Andreas Wolff hätte sicher nichts dagegen.
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