München – Zumindest die ein oder andere kleine Sünde muss erlaubt sein. Auch für einen Mann, der so ziemlich alle Hoffungen auf seinen Schultern vereint. Und so hat Karl Geiger an den Weihnachtstagen natürlich am heimischen Plätzchenteller zugegriffen. Ein bisschen zumindest. Der derzeit beste deutsche Skispringer kann Substanz brauchen. Gerade jetzt, da die wohl härtesten Tage des Springerjahres ins Haus stehen.
Am Samstag nimmt die 68. Vierschanzentournee mit der Qualifikation in Oberstdorf ihren Anfang. Und momentan sieht es ganz so aus: Wenn es für das deutsche Team einer richten kann auf dem Weg nach Bischofshofen, dann ist das Karl Geiger. Spätestens seit den Plätzen drei und vier bei der Generalprobe in Engelberg sieht der 26-Jährige das auch selbst so.
„Ich lehne die Favoritenrolle nicht ab“, betonte er. Wie könnte er auch, die Plätze 7,7, 2, 6, 3 und 4 haben ihn nach der ersten Saisonphase auf Platz drei des Weltcups gespült. Eine Konstanz, die selbst den neuen Bundestrainer Stefan Horngacher beeindruckte. „Der Karl springt momentan die ganz feine Klinge“, sagte der Österreicher, „und was das Beste ist: da geht noch mehr.“
Zugegeben: Das erinnert ein bisschen ans Vorjahr als Geiger sogar als Sieger von Engelberg zur Tournee reiste – Bischofshofen verließ er als Gesamt-Elfter. Zimmerkumpel Markus Eisenbichler startete stattdessen aufs Tournee-Podest durch. Doch genau diese Erfahrung könnte ihm nun helfen, so meint Geiger selbst: „Letztes Jahr war die Rolle für mich ganz neu, plötzlich ein Siegspringer zu sein.“
Der derzeit verletzungsbedingt fehlende Severin Freund glaubt, dass gleich der Auftakt am Sonntag auf seiner Heimschanze für den Oberstdorfer zum Schlüssel für den Ausgang des Unternehmens Tournee werden könnte. „In Oberstdorf hat der Karl schon oft auf den Deckel bekommen“, sagte Freund, „wenn er da jetzt gut durchkommt, dann ist ihm alles zuzutrauen.“ 51., 51., 38., 26., 27., 17. 12. – Geigers bisherige Ausbeute bei den Tourneespringen im Allgäu liest sich in der Tat überschaubar.
Es macht die Sache sicher nicht einfacher, gerade für einen Kopfmenschen wie Geiger, dass er derzeit im deutschen Team ziemlich alleine dasteht. Pius Paschke ist als Weltcup-16. derzeit die deutsche Nummer zwei. Freund, Andreas Wellinger und David Siegel sind verletzt, die etablierten Leistungsträger wie Eisenbichler und Richard Freitag suchen nach den, von Horngacher verordneten Umstellungen im Sommer noch nach ihrer Form. Geigers zwei Podestplätze sind bislang die einzige Ausbeute – mit derart spärlich gefüllten Händen reiste die Springerabteilung des Deutschen Skiverbandes (DSV) letztmals 2010 zur Tournee.
Der Hoffnungsträger selbst will das nicht als Druck sehen. Geiger versucht sich vielmehr mit einer Herangehensweise, mit der schon viele Favoriten gut gefahren sind, bei dem deutsch-österreichischen Turnier. Mit dem so besonderen Modus. Anders als im Weltcup werden schlicht die Bewertungen alle acht Sprünge addiert – womit schon ein einziger schwacher Sprung alle Hoffnungen zunichtemachen kann. „Ich habe mir vorgenommen, weniger auf die Vierschanzentournee zu achten“, sagte Geiger, „sondern mich ganz auf meine Sprünge zu konzentrieren.“
Sven Hannawald hat das auch so gehalten. „Ich mach’ mein Zeug“ wurde zum immer wieder kehrenden Satz seiner Tournee 2001/02. Was am Ende herauskam, ist bekannt.