Gelsenkirchen –- Sein Markenzeichner waren Fallrückzieher. Hunderte Male hat Klaus Fischer sie im Training geübt und in Spielen für spektakuläre Momente gesorgt. Verletzt hat er sich dabei nie. Da musste der Vize-Weltmeister von 1982 schon fast 70 Jahre alt werden, um sich in einem Spiel der S04-Traditionsmannschaft Ende August die Schulter anzuknacksen. Seitdem macht der dreifache Großvater keine Fallrückzieher mehr und hält sich auch sonst mit körperlicher Belastung zurück. Seinen 70. Geburtstag feiert er heute in seiner bayerischen Heimat. „Die ganze Familie und ein paar Freunde sind da, dann gehen wir in ein Restaurant in Zwiesel.“
Bayern ist für ihn die Heimat geblieben, obwohl der frühere Weltklasse-Stürmer schon seit seinem 20. Lebensjahr im Ruhrpott lebt. In Kreuzstraßl im bayerischen Wald geboren, entdecken die Münchner Löwen zuerst Fischers Talent. Nach zwei Jahren bei 1860 und dem Abstieg in die 2. Liga holt Schalke den gelernten Glasbläser, der nicht nur Tore schießen kann, sondern auch im Eisstockschießen erfolgreich ist und in der Wintersportart sogar Europameister wurde.
In Gelsenkirchen verstärkt Fischer eine aufblühende Schalker Mannschaft um Torwart Norbert Nigbur und Dribbelkünstler Stan Libuda, später kommen u.a. „Flankengott“ Rüdiger Abramczik sowie die Kremers-Zwillinge hinzu. Fischers Karriere aber wird erst einmal vom Bundesligaskandal überschattet, bei dem die Schalker mit ihrer gekauften Niederlage am 17. April 1971 gegen Arminia Bielefeld eine ganz unrühmliche Rolle einnehmen.
Statt lebenslang, wie zunächst vom DFB angedroht, wird Fischer nur ein Jahr gesperrt, dann kann er als Fußballer endlich so richtig durchstarten. Nur „der Bomber der Nation“, Gerd Müller, verhindert wohl eine noch größere Karriere, an dessen Ende zwar 268 Tore in 535 Bundesligaspielen für den TSV 1860, Schalke, den 1. FC Köln und den VfL Bochum stehen, aber nur 45 Länderspiele. Nach dem schwarzen Kapitel namens Bundesligaskandal lässt Bundestrainer Helmut Schön den Torjäger lange links liegen, ehe er Fischer zum ersten Mal in die Nationalelf beruft.
Unter den 32 Treffern für Deutschland bleiben dann vor allem zwei unvergessen: eben Fallrückzieher. Es ist der 16. November 1977, als die DFB-Auswahl gegen die Schweiz 4:1 gewinnt. Fischers Treffer zum Endstand – Flanke „Abi“, Fallrückzieher Fischer – wird zunächst zum „Tor des Jahres“ gewählt, danach zum „Tor des Jahrzehnts“ und schließlich zum „Tor des Jahrhunderts“. „Der Abi und ich haben das im Training oft geübt“, erinnert sich Fischer. Fast noch spektakulärer ist sein Tor zum 3:3 im WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich in Sevilla. Fischer bringt mit seinem Fallrückzieher das Team von Bundestrainer Jupp Derwall in der Verlängerung ins Elfmeterschießen, das Deutschland schließlich gewinnt.
Lang ist es her, doch Fischer ist dem Fußball bis heute eng verbunden. Für Schalke 04 ist er nach wie vor als Club-Repräsentant tätig und muss bei etwa 30 Terminen im Jahr immer wieder von seinen berühmten Fallrückziehern erzählen. Er tut es aber gerne.