Niemand hat damals ahnen können, was aus dem Mädchen mal werden würde. Es gab aber Anzeichen. Nicht, weil es so gut Ski fahren konnte, das können viele. Beeindruckend aber ist gewesen, wie die kleine Maria die Enttäuschung, dass ihr gelungener Lauf bei den Bayerischen Meisterschaften nicht ordnungsgemäß gemessen wurde, in Energie verwandelte und beim Neustart noch einmal ein ähnlich tolles Rennen in den Schnee zauberte. Dazu braucht man Mut, Kraft und eine starke Mentalität. Eigenschaften, die unabdingbar sind, will man im Spitzensport erfolgreich sein.
Aus der kleinen Maria ist später der Superstar Maria Höfl-Riesch geworden, die mit drei olympischen Goldmedaillen, zwei WM-Titeln und 27 Weltcupsiegen zu den ganz Großen des alpinen Skisports gezählt wird. Ihr Drama war Thema auf einer der ersten Jugendsportseiten vor 22 Jahren, auch von einem Felix Neureuther wurde damals berichtet und Vater Christian so zitiert: „Wichtig ist nicht nur der Erfolg, wichtig ist, dass Kinder ein Ziel haben, sich für eine Sache einsetzen, gefordert werden.“
Dieser Satz des früheren Slalomartisten könnte so etwas wie das Motto gewesen sein für die rund 425 Jugendsportseiten, die seit Januar 1998 erschienen sind. Viele junge Sportler, die hier vorgestellt wurden, sind später zu Stars geworden, die Skifahrer Pepi Ferstl, Fritz Dopfer und Viktoria Rebensburg zum Beispiel, die Fußballer Bastian Schweinsteiger, David Alaba, die Bender-Zwillinge oder Emre Can, die Dressurreiterin Jessica Werndl, der Motorrad-Rennfahrer Jonas Folger, die Biathletin Franziska Preuß, die wir auf dem Weg zu ihren drei Goldmedaillen bei den Olympischen Jugendspielen in Innsbruck 2012 begleitet haben.
Wichtiger als künftige Spitzensportler vorzustellen aber war immer, die Bedeutung des Sports für die gesunde Entwicklung der Jugend heraus- und Projekte vorzustellen, die dabei geholfen haben, Kindern Spaß am Sport zu vermitteln und zur Bewegung zu animieren. Computer und Smartphone haben unsere Gesellschaft noch bewegungsärmer gemacht, Sportwissenschaftler wurden nicht müde, vor den drastischen Folgen zu warnen und darauf hinzuweisen, dass Bewegung ja nicht nur für den Körper, sondern auch für den Geist von essenzieller Bedeutung ist. Und der Sport so viel leistet für Sozialisation und Integration.
Trotzdem ist der Schulsport mehr und mehr zum Stiefkind der Bildung geworden. Bayern war noch Anfang der neunziger Jahre mit 3,51 Wochenstunden im Schnitt Spitze im Vergleich der Bundesländer, bald aber ist man abgesackt auf 2,37 Stunden und war, wie Ewald Wutz, früherer Schulsportreferent im Kultusministerium, mal sarkastisch anmerkte, „nur noch führend bei der Anzahl ausgefallener Sportstunden“. Immer wieder haben Männer wie Helmut Zöpfl, Professor für Schulpädagogik, Peter Kapustin, lange Jahre Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbandes, und der Sportmediziner Ludwig Geiger auf der Jugendsportseite warnend den Zeigefinger gehoben, die Politik aber reagierte meist nur in schönen Sonntagsreden auf die schwere Krise des Schulsports. Passiert ist viel zu wenig.
Der Sport hat zwar eine große Bedeutung in unserer Gesellschaft, in erster Linie aber ist es der Spitzensport und vor allem der Profi-Fußball, der die Massen elektrisiert. Woher aber kommen die gefeierten Stars? Das wird oft dem Zufall überlassen oder privaten Initiativen. Tolle Nachwuchs-Projekte wie etwa das Junior-Ski-Team des früheren Slalom-Weltcupsiegers Armin Bittner, der dem Nachwuchs unter professionellen Bedingungen den Weg nach oben ebnen wollte, scheiterten nach erfolgreichen Ansätzen an fehlender Unterstützung, Sportvereine, die mehr bewegen wollten, am Geld und an fehlender Manpower. Die Förderung von sportlichem Nachwuchs ist ein Kampf gegen Widerstände, der irgendwann auch den engagiertesten Mitarbeiter resignieren lässt.
Nicht jeder hat diese Kraft, diesen Willen wie Rüdiger Heid, der schon 1997 Jugendliche mit dem Fußball aus Flüchtlingsunterkünften geholt und ihnen Perspektive gegeben hat. Aus der Freizeitbeschäftigung für Kinder, die der Krieg aus ihrer Heimat vertrieben, der sie entwurzelt und nach Deutschland gebracht hat, ist längst eine richtige Liga geworden, das Projekt „bunt kickt gut“ über ganz Deutschland verbreitet. „Fußball“, sagt Heid, „ist eine Sprache, die jeder spricht“, ob Serbe, Bosnier, Albaner, ob Afrikaner, Kurde oder Kasache. Der Fußball fasziniert sie alle, schafft Beziehungen, Verbindungen, Freundschaften über alle ethnischen und kulturellen Grenzen hinweg. Heid ist überzeugt, dass er mit „bunt kickt gut“, dass er mit Fußball junge Menschen davon abhalten konnte, in die Kriminalität abzudriften, „im Knast oder in geschlossenen Heimen zu landen.“
Auch das kann der Sport, wenn er von den richtigen Leuten richtig eingesetzt wird. Er kann auch präventiv wirken gegen Sucht und Gewalt, auch wenn nun manche auf die fetten Schlagzeilen verweisen, die von brutalen Auswüchsen beim Fußball zeugen. Die Wurzeln der Gewalt aber findet der Soziologe Klaus Hurrelmann nicht im Fußball, sondern in der Gesellschaft. Das Problem greift über auf den Fußball, große Sportevents bieten eine Bühne, die Gruppe schafft den Nährboden für aggressive Verhaltensweisen. Auf der anderen Seite belegen wissenschaftliche Studien, dass Jugendliche, die in einem Verein integriert sind, seltener Straftaten verüben. Hurrelmann sieht im Sport eine Form sinnvoller Lebensgestaltung, im Sport lerne man, mit Frustration umzugehen, mit Niederlagen, aber auch mit Siegen: „Das ist mindestens genauso schwierig.“
Aber ist Siegen überhaupt so wichtig? Wer nach dem „wahren“ Sport sucht, sollte mal die „Special Olympics“ besuchen. „Lasst mich gewinnen, aber wenn ich nicht gewinnen kann, lasst mich mutig mein Bestes geben“, lautet das Motto dieser Sportbewegung von geistig behinderten Menschen, die mit ihrer Freude, ihrer Leidenschaft, ihre Begeisterung zeigen, dass Sport wirklich mehr ist, viel mehr. Peter Kapustin hat die „Special Olympics“ aus den USA nach Deutschland geholt und sagt: „Diesen Menschen, deren Leistungsfähigkeit meist unterschätzt wird, wollen wir durch Sport positive Erlebnisse eröffnen, dazu beitragen, dass sie von ihrem gesellschaftlichen Umfeld akzeptiert und respektiert werden.“ Und wer einmal erlebt hat, wie diese Menschen jubeln, auch wenn sie nicht Erster geworden sind, aber ihren ganz persönlichen Sieg, einen Sieg über sich selbst, über ihr Schicksal errungen haben, der wird den Sport mit anderen Augen sehen.
Immer wieder hat die Jugendsportseite von solchen Sportfesten berichtet, hat das Projekt „Bananenflanke“ vorgestellt, das in Regensburg entstanden ist und, unterstützt von vielen früheren Fußball-Profis wie Tobi Schweinsteiger, Benni Lauth oder Michael Hofmann, gehandicapten Kindern und Jugendlichen unvergessliche Momente beschert. Hier, nicht in der Bundesliga, nicht bei der Fußball-WM oder bei Olympia, findet man noch, was den Sport wirklich ausmacht. Er kann so viel Kraft geben, so viel Lebensmut, so viel Freude in ein nicht einfaches Leben bringen. Und deshalb dürfen wir uns den Sport nicht kaputtmachen lassen von Gier und Profitstreben, von Lug und Betrug.
Wir müssen der Jugend den Sport erhalten, auch wenn er es schwer hat in Konkurrenz zu den digitalen Medien und dem elektronischen Spiel an der Konsole. Wir haben bei der Arbeit an der Jugendsportseite junge Menschen kennengelernt, die von der großen Karriere geträumt haben, von Titeln und Medaillen, die viel dafür investiert haben. Nicht jeder ist später so erfolgreich geworden wie Maria Riesch. Die meisten aber haben profitiert von ihrem Engagement, viele sind später in Studium und Beruf einen erfolgreichen Weg gegangen, ihren eigenen Weg. Und sagen, dass Sport einen äußerst positiven Einfluss auf ihr Leben hatte.
Dieser Aspekt ist uns auf der Jugendsportseite immer wichtig gewesen, sie sollte helfen, Kinder für den Sport zu begeistern, nicht, Nachwuchstalente frühzeitig in den Fokus zu rücken. So, wie es Christian Neureuther damals ausdrückte: „Wichtig ist, dass Kinder ein Ziel haben, sich für eine Sache einsetzen und gefordert werden.“ Wenn diese Seite einen Teil dazu beitragen konnte, hat sie ihr Ziel erreicht.