„Für Eisenbichler kann es aufgehen“

von Redaktion

DSV-Sportchef Hüttel über die Tournee-Form der Deutschen und das Material

Horst Hüttel, Ihr Team nimmt die schwächste Bilanz seit neun Jahren aus dem ersten Saisondrittel in die Tournee mit. Ist die Anspannung größer als in den letzten Jahren?

Überhaupt nicht. Klar, die Erwartungen von einem Markus Eisenbichler oder Richard Freitag sind sicher höher, weil sie auch schon Weltcups gewonnen haben. Und da wird die Tournee sicher eine Bewährungsprobe. Aber man sieht auch an Karl Geiger, was möglich ist. Ihm gelingt es, konstant da vorne reinzuspringen – und zwar mit dem Potenzial, das auch die anderen haben. Die anderen wollen nachziehen. Deshalb gehen wir sehr motiviert in diese Tournee rein.

Karl Geiger ist allerdings auch im letzten Jahr als Mitfavorit gehandelt worden und wurde Elfter…

Er ist sicher gereifter jetzt. Er ist auch konstanter als je zuvor durch die bisherige Saison gekommen. Ich traue ihm das zu, dass er das auch hier zeigt und eine gute Tournee springt. Zu was es dann reicht, bleibt abzuwarten. Aber ich wäre auch nicht überrascht, wenn es für Markus Eisenbichler bei dieser Tournee aufgeht. Er ist ein Springer, bei dem es sehr schnell gehen kann, wenn er zum Beispiel am Samstag in der Qualifikation auf Tuchfühlung kommt. Aber auch wenn es nicht klappen sollte, werden wir die Geduld nicht verlieren. In unserem Trainerteam sind viele Dinge neu. Warten wir mal das zweite Saisondrittel ab, dann kann man sicher mal eine erste Bilanz ziehen.

Mit Severin Freund, Andreas Wellinger und David Siegel hätte das Team drei weitere heiße Eisen. Alle drei sind verletzt. Kein Zufall, sagen viele.

Ist es auch nicht. Zuletzt haben sich ja auch zwei Norweger schwer verletzt mit Fannemel und Markeng. Das liegt in meinen Augen an einer materialtechnischen Umstellung, bei der ich dringenden Handlungsbedarf sehe. Das Fliegen ist sicherer geworden, aber das Aufspringen unsicherer und gefährlicher. Da ist die FIS gefordert, nach dieser Saison Veränderungen einzuleiten.

Wo sehen Sie die Knackpunkte? Beim Ski, wie der Noch-Renndirektor Walter Hofer kürzlich andeutete?

Den Ski sehen wir nicht so im Mittelpunkt. Eher den Schuh und die Wadenkeile. Der Fuß ist jetzt viel mehr fixiert, sodass die Scherkräfte viel stärker wirken können. Diese Modifikationen helfen zwar in der Luftfahrt, bei der der Ski stabiler geworden ist. Aber wir haben diese Probleme beim Aufspringen. Bei jedem Sprung. Vielleicht spielt auch die Dauerbelastung eine Rolle – aber wir sind in diesem Prozess drin und wollen Veränderung.

Severin Freund deutete kürzlich an, dass gut gemeinte Regeländerungen der letzten Jahre wie die Gewichtsregel oder die Verkleinerung der Anzüge vor allem zu höheren Geschwindigkeiten geführt haben …

Das ist sicherlich der nächste Punkt. Werner Schuster hat das in einer Expertise gut zum Ausdruck gebracht. Die höhere Geschwindigkeit und den Druck durch den Keil hält der Athlet vielleicht aus. Aber wenn dann ein ruppigerer oder weicher Aufsprung dazukommt wie in Klingenthal, dann ist das das, was das Fass zum überlaufen bringt. Deshalb müssen wir an allen Faktoren arbeiten.

Was würden Sie verändern?

Da sind wir im Moment in Diskussionen. Klar ist: die Veränderungen müssen für die FIS nachvollziehbar und messbar sein. Es hilft nichts, wenn man die Schale am Schuh verbietet und die dann in den Schuh hineingebaut wird. Insofern sind Schnellschüsse der Sache nicht dienlich. Klar ist aber: Es muss etwas passieren. Im Sinne unser aller Athleten. Da führt kein Weg daran vorbei.

Interview: Patrick Reichelt

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