Ostrava/München – Die Schlussphase wurde kritisch. Die Tschechen hatten sich herangeschossen, 2:4, 3:4, und für die letzten eineinhalb Minuten nahmen sie auch noch ihren Torhüter vom Eis. Große Aufholjagd vor ihrem Heimpublikum in Ostrava. Bei den Deutschen kam es jetzt vor allem auf den Kapitän an, auf Moritz Seider. Und er machte die Scheiben fest. Bis die Sirene ertönte und alle Spieler von der Bank auf ihn und Torhüter Hendrik Hane zustürmten: 4:3 gewonnen gegen Tschechien, die große Eishockey-Nation, den Gastgeber der U 20-Weltmeisterschaft. Auf einen solchen Coup hatte das deutsche Team als Aufsteiger in die Junioren-A-Klasse gehofft – aber man hatte mit diesen drei Punkten nicht rechnen können.
Moritz Seider stand von den 60 Minuten 26:27 auf dem Eis, was für eine Beanspruchung im zweiten Spiel binnen zwanzig Stunden – das untermauert die Rolle des 18-Jährigen in der Mannschaft von Tobias Abstreiter (dem Toni Söderholm, der Bundestrainer der Männer, assistiert). Vorige Saison wurde Seider mit Mannheim Deutscher Meister, zudem spielte er die (damals noch B-) WM der Unter-20-Jährigen und im Mai die richtige Weltmeisterschaft. Im Anschluss verpflichteten ihn die Detroit Red Wings aus der NHL. Sie lassen ihn bis jetzt zwar nur im Farmteam spielen (Grand Rapids), gleichwohl ist die große Karriere des Verteidigers vorgezeichnet.
Nun in Tschechien führt Seider das deutsche Team an, das in die schwerere Vorrundengruppe geraten, aber nicht chancenlos ist. Zwar verlor es 3:6 gegen die USA (wobei es 1:0 und 3:2 führte), doch gewann 4:3 gegen die Tschechen, die ihrerseits die Russen bezwungen hatten, welche die Kanadier 6:0 zerlegten, die zum Auftakt die Amerikaner besiegt hatten. Alles scheint möglich in dieser Gruppe – sogar eine weitere deutsche Überraschung heute (15 Uhr/MagentaSport) gegen Kanada. „Wir sagen uns: ,Warum nicht?’ Wir sind bereit“, so Seider.
Klar freilich ist bei aller Euphorie: Die Deutschen leben von ihren zwei Topreihen und dem Überzahlspiel: Fünf ihrer sieben Tore erzielten sie im Powerplay, die Quote von 45,6 Prozent ist außergewöhnlich. Der Mannheimer Tim Stützle (17) koordiniert das Überzahlspiel, der von der NHL bereits gedraftete Dominik Bokk, der in Schweden (Rögle) spielt, wo er zuletzt schlechte Kritiken bekam, brilliert als Vollstrecker. Er hat nach zwei Spielen drei Tore in der Statistik stehen – ebenso John-Jason Peterka, der 17-jährige Münchner. Mit Justin Schütz (19/München), Lukas Reichel (17/Berlin) und Taro Jentzsch, einem 19-jährigen Berliner, der in Kanada spielt, sind weitere Ausnahmetalente am Start. GÜNTER KLEIN