Brisbane – Verlässlich gut in Form sei er sicher noch nicht, hatte Alexander Zverev vor seinem ersten Auftritt für die deutsche Mannschaft beim neuen ATP Cup gesagt, das sei ja jedes Jahr so.
Doch so hatte er sich die Sache vermutlich selbst mit einiger Skepsis nicht vorgestellt. Bei der Niederlage gegen den jungen Australier Alex de Minaur (6:4, 6:7, 2:6) kam er nach solidem Auftakt schnell vom Weg ab und trudelte dann dem Ausgang entgegen. Nach gewonnenem ersten Satz führte er im zweiten mit 4:2 und hatte die Chance, die Führung auf 5:2 auszubauen, doch das war es dann auch schon an Positivem; die Serie der Doppelfehler begann. Und nachdem der Australier den Tiebreak gewonnen hatte, machte Zverev seinem Frust mit sieben heftigen Hieben Luft und zerlegte seinen Schläger.
Links von ihm auf der Bank saß Bundestrainer Michael Kohlmann und lehnte sich noch ein wenig weiter nach links, um sicher zu sein; rechts von der Bank trat Boris Becker schweigend von einem Fuß auf den anderen. Als Zverev hinterher gefragt wurde, ob seine Reaktion nicht ein wenig heftig gewesen sei, schließlich habe er doch gewusst, dass er sich noch auf unsicherem Terrain bewege, da sagte er: „Ich mach immer das, wonach ich mich fühle. Und das war halt das, wonach ich mich gefühlt hab in dem Moment.“
Es war allen in der deutschen Mannschaft klar gewesen, welche Rolle die erste Begegnung in der Gruppe F spielen würde – mit Abstand die schwerste Gruppe der Vorrunde mit den starken Australiern und den vielleicht noch stärkeren Kanadiern mit Felix Auger-Aliassime und Denis Shapovalov. Nur Griechenland fiel ab, weil der zweite Mann hinter Stefanos Tsitsipas, ein gewisser Michail Pervolarakis, als Nummer 487 der Weltrangliste gewöhnlich auf einer anderen Ebene spielt. Die Qualifikation der Mannschaften beim ATP Cup läuft ausschließlich über die Nummer eins – sicher einer der Schwachpunkte des neuen Wettbewerbes.
Australiens Nummer zwei hat allerdings keinerlei Ähnlichkeit mit Pervolarakis, schon gar nicht auf der spielerischen Ebene. Nick Kyrgios hatte am Tag vor dem Spiel gegen Jan-Lennard Struff angekündigt, er werde für jedes Ass 250 Dollar für die Betroffenen der Buschbrände spenden, die seiner Heimatstadt Canberra in diesen Tagen schwer zusetzen. Er begann die Partie mit Ass Nummer eins und beendete sie 72 Minuten später mit Ass Nummer 20, womit er aus der eigenen Tasche 4000 Dollar in die Brandkasse zahlte.
Doch da der der Australische Tennisverband Kyrgios‘ Idee aufgegriffen und für jedes Ass eines Spielers in den zehn Tagen des ATP Cups hundert Dollar zugesagt hatte, kamen allein in dieser Partie weitere 3500 zusammen – 2000 für die Asse des Australiers und 1500 für die 15 von Struff.
Kyrgios gewann auf der Basis einer souveränen Vorstellung im ersten Satz. Im zweiten spielte Struff auf dem gleichen Niveau, und er hatte völlig recht, als er hinterher meinte, diesen Satz hätte er gewinnen können.
Kurz vor Mitternacht verlor schließlich auch das deutsche Doppel, Kevin Krawietz und Andreas Mies, und so stand unter dem Strich für die deutsche Mannschaft ein ziemlich ernüchterndes 0:3.
Wie der Kapitän dieses Ergebnis fand? „Das ist enttäuschend“, meinte Boris Becker, „da gibt es nichts schönzureden. Struff hat gut gespielt gegen einen starken Kyrgios, aber Sascha muss das Spiel natürlich gewinnen. Dann steht es 1:1, und im Doppel sind wir die Favoriten.“
Soweit die Theorie. In der Tennis-Praxis sieht die Sache nun so aus, dass die Deutschen in ihrer zweiten Partie am Sonntag gegen Griechenland – gegen Tsitsipas und den bewussten Pervolarakis – einen klaren Sieg brauchen, um eine kleine Chance zu bewahren, die Runde der besten Acht in der kommenden Woche in Sydney zu erreichen.