Bischofshofen – Für ein paar Minütchen war in Karl Geiger noch einmal ein bisschen Hoffnung aufgekeimt. Bis auf 140 Meter war der beste deutsche Skispringer in den Auslauf der Paul-Außerleitner-Schanze von Bischofshofen gesegelt. Das war eine Ansage, die schon am Nervenkostüm Dawid Kubacki kratzen konnte. Doch der Pole reagierte im besten Stile eines Champions. Packte noch drei Meter auf Geigers Vorgabe drauf. Weiter hatte es kein einziger im Feld der 50 Weltklasse-Flieger gebracht. Es war der Moment, der diese 68. Vierschanzentournee entschied. Dass Kubacki sein Triumph später auch noch mit dem Tagessieg in Bischofshofen veredelte, war da fast schon Nebensache. Geiger verneigte sich neidlos: „Was er gemacht hat, war der Wahnsinn.“
Und er selbst? Brachte am Ende mit dem gestrigen zweiten Platz Rang drei in der Gesamtwertung ins Ziel. Um ein Haar hätte es sogar zur Nummer zwei gereicht. Doch der norwegische Senkrechtstarter Marius Lindvik (139/137 Meter), der sich mit seinem zweiten Tagessieg am Samstag in Innsbruck noch in den unerwartet großen Kreis der Anwärter auf den Goldenen Tournee-Adler geflogen hatte, rettete gut 1,5 Meter auf den Deutschen ins Ziel.
Dem blieb die Erkenntnis, dass er die Chancen auf noch Besseres genau dort liegen gelassen hatte, wo Lindvik endgültig ins Rampenlicht getreten war. Im ersten Durchgang am Bergisel unterlief Geiger ausgerechnet bei miserablen Windbedingungen sein erster und einziger kleiner Schnitzer im Rahmen dieser Tournee. Aus Platz 23 machte er als Siebter im Finale zwar noch das Beste, doch gut 13 Punkte auf den bemerkenswert konstanten Seefeld-Weltmeister Kubacki waren eine zu große Hypothek.
Doch der kleine Zorn war spätestens gestern in Bischofshofen schnell verraucht, nachdem Geiger pünktlich zum gestrigen Wettkampf wieder zur alten Form fand. „Innsbruck hat mich schon sehr geärgert“, sagte der Allgäuer, „doch dass mir hier zwei solche Sprünge geglückt sind, das ist überragend. Jetzt ist alles schick. Das war die schönste Tournee, die ich bis jetzt erlebt habe.“
Bundestrainer Stefan Horngacher schloss sich dem Hochgefühl gerne an. „Was der Karl hier gemacht hat, das war großartig“, schwärmte er, „auch die anderen haben zumindest in einzelnen Sprüngen gezeigt, was für ein Potenzial in ihnen steckt.“ Einen Mann auf dem Tournee-Podest, einen zweiten in den Top-10 der Gesamtwertung – das hatte der Österreicher vor dem Start in Oberstdorf als sein Wunschziel ausgegeben. Beides ging in Erfüllung. Denn hinter Karl Geiger schwindelte sich auch der Vorjahresdritte Stephan Leyhe (132/131 Meter) mit dem 18. Tagesrang in Bischofshofen noch auf Platz zehn im Abschlussklassement der Tournee. Und war doch nicht ganz zufrieden: „Ich hatte mir schon ein bisschen mehr vorgenommen.“
In ähnliche Regionen hätte auch Dreifach-Weltmeister Markus Eisenbichler vordringen können. Doch seinen ordentlichen 6. Platz nach der ersten Tournee-Halbzeit verspielte er schon als 27. in Innsbruck. Und auch beim Abschluss im Pongau zeigte sich nach Platz 14 (137/130 m): Für Höheres fehlt dem Siegsdorfer in diesen Tagen noch die Konstanz. Und doch verließ er die Tournee als Gesamt-14. mit einem guten Gefühl. „Vor der Tournee hat doch jeder gesagt, der Eisenbichler braucht gar nicht anzutreten, der kann‘s nicht mehr“, sagte er, „die Richtung geht in jedem Fall nach oben.“