Becker: Zverev braucht einen Weckruf

von Redaktion

Chef des deutschen Männertennis rät dem schwächelnden Star zu einem neuen Trainer

VON DORIS HENKEL

Brisbane – Bis zum Beginn der Australian Open sind noch zehn Tage Zeit, aber ob das lang genug ist, um eine Lösung zu finden? Drei Spiele verlor Alexander Zverev beim ATP Cup, und vor allem die Art, wie er das letzte der drei verlor, gab zu denken. Vom ersten Moment bis zum letzten Moment der Begegnung mit Denis Shapovalov (2:6, 2:6) wirkte er ratlos und überfordert; es sah aus, als wolle er alles nur möglichst schnell hinter sich bringen.

Täuschte der Eindruck? „Ich spiel halt schlecht“, sagt er zum Abschied, „und es macht nicht so richtig Spaß, auf dem Tennisplatz zu sein, wenn man so schlecht spielt.“ Drei Niederlagen waren auf jeden Fall zu viel, um sich und seiner Mannschaft eine Chance zu geben, das Viertelfinale des neuen Wettbewerbes zu erreichen – und so schieden sie nach der Vorrunde aus.

Zverev selbst glaubt, ihm fehlten nach der kurzen Vorbereitungszeit vor allem Trainingsstunden und Matchpraxis, und er erinnerte daran, seine Form sei in den vergangenen Jahren beim Hopman Cup in Perth ähnlich gewesen. Doch seinerzeit stand er nicht annähernd so weit neben sich. Was passieren muss, damit er sich selbst wiederfinden kann? „Ich brauche Trainingszeit, muss Matches gewinnen, dann wird es schon wieder irgendwie laufen.“ Boris Becker glaubt das nicht. Der Chef des deutschen Männertennis, in Brisbane als Kapitän auf der Bank, macht sich Sorgen um seinen besten Mann. „Er hat keine Energie, die Körpersprache ist sehr negativ. Er muss sich wieder finden, aber er muss entscheiden, was ist er gewillt zu tun, welchen Preis ist er gewillt zu zahlen. Will er leidenschaftlich weiter trainieren und spielen? Wenn die Leidenschaft nicht da ist, dann wird’s schwer.“

Und Becker glaubt, es sei an der Zeit für einen Weckruf und für größere Veränderungen; er findet, Zverev brauche möglichst bald einen neuen Coach. „In den nächsten zwei Wochen wird das wahrscheinlich nicht gehen, aber vielleicht im Februar, und ich würde mir wünschen, dass er dann auch mal Zeit mit dem Trainer alleine verbringen. Damit man malneue Stimmen hört, neue Trainingsformen macht. Ich glaube, solange der Vater eine so dominante Rolle auf dem Trainingsplatz spielt, wird es letztendlich immer nach seinem Kopf gehen.“

Es gab und gibt ja immer wieder Spekulationen, ob er selbst dieser Mann sein könnte, aber dazu sagte er in Brisbane, er sei es definitiv nicht. Seine Aufgabe als Chef des deutschen Männertennis mache ihm viel Spaß, im Rahmen dieser Aufgabe stehe er für Zverev auch jederzeit zur Verfügung, aber mehr werde daraus nicht. Und darüber hinaus habe er ja auch noch einen Job bei Eurosport.

In seiner Rolle als Kapitän der deutschen Mannschaft durchlebte er in Brisbane allerdings nicht nur sorgenvolle Momente mit der ratlosen Nummer eins, sondern auch positive: mit dem Doppel Kevin Krawietz und Andreas Mies, die ein Spiel gewannen – und vor allem mit der Nummer zwei. Jan-Lennard Struff gewann zweimal, und vor allem die entschlossene Art beim letzten Spiel gegen den hochtalentierten Kanadier Felix Auger-Aliassime beeindruckte. Einen deutschen Spieler mit besserer Einstellung habe er sehr lange nicht mehr gesehen, lobte Becker.

Struff selbst verabschiedete sich im Bewusstsein Richtung Adelaide zum nächsten Turnier, in Brisbane eine extrem gute Figur gemacht zu haben, nicht nur auf dem Platz. Nach seinem Sieg gegen den Kanadier verkündete er im Stadion, er werde 2000 Dollar für die Folgen der verheerenden Buschbrände spenden, was vom australischen Publikum mit großem Beifall belohnt wurde. „Ich wollte einfach irgendwas beitragen“, sagte er, „das ist mir wirklich wichtig.“ Es war in jeder Hinsicht ein überzeugender Auftritt.

Artikel 7 von 11