Misstöne in der Wüste

Hansi kommt aus der Deckung

von Redaktion

DANIEL MÜKSCH

Will eine Frau höflich, aber unmissverständlich deutlich machen, dass sie kein Interesse an einer Beziehung hegt, sagt sie: „Das ist ein ganz Lieber….“ Ein schlimmeres Kompliment kann es für ein schmachtendes Herz kaum geben. „Ein ganz Lieber“, richtig ernst nimmt man eine solche Person nicht.

Hansi Flick drohte beim FC Bayern auch in der Kategorie „lieb und harmlos“ zu verharren. Man schätzt seinen Einsatz und Fleiß nach der Entlassung von Vorgänger Niko Kovac und lobte bisher stets brav seinen Dienst an der Mannschaft. Die Macht über die Kaderplanung verweilte jedoch in der Vorstandsetage. Damit gibt sich Flick nicht mehr zufrieden. Mit seiner eigenmächtigen öffentlichen Forderung nach neuen Spielern kommt der Bayern-Trainer aus der Deckung und geht in die Offensive. Er will keine Übergangsfußnote in der Vereinschronik werden.

Wie der Verein nun auf die Flick-Offensive reagiert, wird zeigen, welchen Stellenwert der ehemalige Co-Trainer im Club hat. Ist der Wunsch des sportlichen Taktgebers so maßgebend, dass die neuen Vorstände Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn ihn prompt erfüllen? Mit hochkarätigen Wintertransfers würden seine Chancen auf eine Weiterbeschäftigung über den Sommer hinaus sprunghaft steigen. Oder sehen sie Flick lediglich als Zeitarbeiter bis zur großen Trainerlösung im Sommer?

Egal wie es am Ende ausgeht, schon jetzt steht fest: Hansi Flick geht mit erhobenem Haupt aus dieser Situation hervor und kann eigentlich nur gewinnen. Werden seine Rufe erhört, startet er mit einem in der Tiefe für alle Wettbewerbe gewappneten Kader in die Titeljagd der Rückrunde.

Sparen sich die Bosse allerdings das Geld für den Sommer, um dann zum Beispiel einen wieder fitten Leroy Sane an die Isar zu lotsen, laufen so allerdings den Ambitionen in den nächsten Monaten hinterher, kann Flick anmerken: Ich habe rechtzeitig auf die Probleme im Kader hingewiesen, gebt mir nicht die Schuld. Mit seinem verbalen Vorstoß in der Wüste hat er sein taktisches Geschick abseits des Platzes unter Beweis gestellt.

Vielleicht ist der „liebe Hansi“ in den Flieger nach Doha eingestiegen. Wenn das Flugzeug am 10. Januar aber Richtung Heimat abhebt, befindet sich ein anderer Passagier an Bord: Hans-Dieter Flick – ein Bayern-Cheftrainer, den man lieber ernst nehmen sollte.

Daniel.Mueksch@ovb.net

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