Leitwolf außer Dienst

von Redaktion

Eine Fußverletzung zwang Steffen Weinhold zur EM-Absage – er traut den Kollegen Großes zu

VON PATRICK REICHELT

München – Der Anruf war einer der schwersten im Leben von Steffen Weinhold. Mehrere Tage lang hatte der Rückraumspieler in Diensten des THW Kiel die Sache hin und her überlegt. Am Ende griff er doch zum Hörer, um Bundestrainer Christian Prokop die Hiobsbotschaft zu überbringen. Die Europameisterschaft, die gestern ihren Anfang nahm, wird ohne ihn stattfinden. Der Grund ist für Handballer kein überraschender. Akute Schmerzen. Den 33-Jährigen plagt eine hartnäckige Entzünding im Fuß. „Man muss realistisch sein“, sagte der gebürtige Fürther, „es gibt im Laufe einer Saison nicht viele Zeitfenster um etwas auszukurieren.“

Nun hat der Bundestrainer im Vorfeld dieses Turniers ja manch eine schlechte Nachricht hinnehmen müssen. Doch unter all dem Übel, das sich Prokop anhören musste, war Weinholds Absage eines der übelsten. Der Routinier war bei den letzten Großereignissen nicht nur ein Eckpfeiler im Rückraum, sondern auch Führungsfigur gewesen. So wie bei der EM 2016 in Polen, als er für den verletzten Uwe Gensheimer als Kapitän einsprang und das DHB-Team prompt zum Titel führte.

In den Tagen danach ist ja dann auch ein bisschen Kritik laut geworden, weil gerade Weinhold bis zuletzt noch im Verein Tore geworfen hatte. Das stehe, so war zu lesen, nicht im Einklang mit dem Schulterschluss zwischen Bundesliga und Verband. Weinhold kann diese Gedanken nachvollziehen. „Natürlich ist das blöd“, sagte er, „aber was wäre, wenn ich das Turnier mit Schmerzen spiele und es entsteht etwas Größeres daraus? Dann heißt es: ,warum hast du das getan‘?“

Und die Sache verfolgt ihn halt auch schon reichlich lange. Im Sommer hatte Weinhald sich einen Einriß der Plantarsehne im Fuß zugezogen. Nichts Ungewöhnliches im Überlastungssport Handball. Die Mediziner versuchten der Sache konservativ mit Spritzen und Verbänden beizukommen. Doch die Schmerzen blieben hartnäckig, die malade Sehne entzündete sich. Und so gut es für den Verein auch lief – der THW liegt sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions-League-Vorrunde an der Spitze – Weinhold quälte sich durch die bisherige Saison. Das soll so nicht weitergehen, die kleine Spielpause während der EM kommt da gerade recht, „da muss man abwägen“.

Und die Sache ist ja nicht neu, große Turniere waren eigentlich fast immer von Verletzungen überschattet. Steffen Weinhold fühlt sich dieser Tage sogar ein bisschen an die Europameisterschaft 2016 erinnert. Auch vor dem Turnier in Polen hatte eine Vielzahl von Leistungsträgern Ex-Coach Dagur Sigurdsson einen Korb gegeben. „Am Ende waren unter den 16 Spielern glaube ich nur zwei, die schon einmal ein großes Turnier gespielt hatten“, erinnert er sich.

Was herauskam, das ist bekannt. Das Turnier bekam für das DHB-Team eine besondere Dynamik. Auch das Glück war der Mannschaft treu. „Von den acht Spielen haben wir sechs mit einem Tor gewonnen“, sagte Weinhold, „wir hätten ohne Weiteres auch in der Vorrunde ausscheiden können.“

Einen ähnlichen Weg traut der zweifache Familienvater nun auch den Kollegen zu. Zumal der Deutsche Handballbund auch die Rahmenbedingungen schafft und etwa die bis zu 6000 Reisekilometer beim Dreiländerturnier in Norwegen, Österreich und Schweden durch Charterflüge erleichtert.

Mit dabei sein wird Weinhold freilich vorerst nicht. Er wird die Zeit in Kiel zu Regeneration und Training nutzen. Er will bereit sein für die Rückrunde. Und für die nächste Großaufgabe mit dem DHB. Vielleicht schon im April. Dann wartet die Olympia-Qualifikation.

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