Die neue Rolle des stillen Karle

von Redaktion

Sven Hannawald sieht Skispringer Geiger als Hauptdarsteller des deutschen Wintersports

Val di Fiemme – Jahrelang waren große Erfolge und besondere Typen für Millionen deutscher Wintersport-Fans an den TV-Geräten garantiert. Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier beherrschten die Biathlon-Szene gemeinsam fast ein Jahrzehnt lang, Felix Neureuther rauschte begeisternd die Alpin-Strecken dieser Welt hinunter und auf den Skisprungschanzen gewannen nacheinander Severin Freund und Andreas Wellinger. Und jetzt, da alle Stars entweder abgetreten oder wegen Verletzungen längere Zeit ausfallen, trägt der zurückhaltende Karl Geiger diesen Status – auf seine Weise.

„Auf jeden Fall nimmt er diese Rolle ein. Das hat er sich auch lange und hart erarbeitet. Er ist der Hauptdarsteller und zieht erst einmal alles auf sich“, sagte der ehemalige Tournee-Sieger Sven Hannawald. Geiger ist das genaue Gegenteil von dem, was man unter einem Star versteht. Er ist bescheiden, ruhig und hat auch keinerlei Starallüren. Aber der „Karle“, wie seine Teamkollegen ihn nennen, ist der derzeit beste Skispringer der Welt und damit zum Jahresstart 2020 auch Deutschlands erfolgreichster Wintersportler. „Es freut mich unglaublich, wie der Karl vorneweg marschiert mit einer Ruhe und einer Selbstverständlichkeit. So kann es weitergehen“, sagte der deutsche Teammanager Horst Hüttel.

Das Fleimstal hat Geiger mit zwei souveränen Siegen und dem Gelben Trikot des Gesamtführenden verlassen. Der heimatverbundene Allgäuer freut sich immer wieder auf die Rückkehr in sein geliebtes Oberstdorf. Der Freibergsee ist sein Ruhepol, die Familie sein Rückzugsort. Als er von den zwei schlauchenden Wochen Tournee heimkam, musste er erstmal eines erledigen: ganz viel schlafen.

Das begehrte Gelbe Trikot, mit dem er am kommenden Wochenende auch beim Heimspiel in Titisee-Neustadt antreten darf, ist für Geiger eine Bestätigung jahrelanger Detailarbeit auf den Schanzen. Nun kann er sogar vom Gewinn des Gesamtweltcups träumen. „Das wäre natürlich genial. Aber die Saison ist noch lang, wir haben nicht mal die Hälfte. Ich werde weiter Vollgas geben – und dann kann es sein, dass es reicht“, sagte Geiger.

Auch Bundestrainer Stefan Horngacher ist begeistert von seinem Top-Athleten – und dessen ruhiger Art, mit dem neuen Rummel umzugehen. „Er verstellt sich nicht. Er ist so, wie er ist. Er ist ein super Mann. Es ist schön, mit ihm zu arbeiten“, lobte der Tiroler, der Geiger schon länger kennt. So nimmt auch Hannawald den Allgäuer wahr. „Die wichtigste Voraussetzung für alles, dass er nicht abhebt, ist sein ruhiges Temperament. Hin und wieder verliert jemand den Boden unter den Füßen mit dem Erfolg, das sehe ich bei Karl überhaupt nicht“, sagte der heutige TV-Experte.

Sportlich sieht Horngacher vor der nächsten Herausforderung im Schwarzwald keine Grenzen mehr- Seine Einschätzung lautet: „Karl wird immer besser. Mit so einer Form kann man jedes Springen gewinnen.“  dpa

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