Gitter runter – um der Karriere willen

von Redaktion

Münchner John-Jason Peterka wird 18, dadurch ändert sich für ihn einiges

VON GÜNTER KLEIN

München – Die drei 17-Jährigen waren der Blickfang der deutschen Junioren-Nationalmannschaft bei der U 20-Weltmeisterschaft neulich im Eishockey. MagentaSport drehte einen unterhaltsamen Spot mit John-Jason Peterka (München), Tim Stützle (Mannheim) und Lukas Reichel (Berlin), und dabei ging es auch darum, was man mit 17 alles nicht darf. Zum Beispiel: Ohne Einwilligung der Eltern ins Solarium gehen. Da mussten die drei Jungstars, auf deren Schultern die Eishockey-Nation ihre Erwartungen einer goldenen Zukunft legt, herzhaft lachen.

John-Jason Peterka, der älteste der Wunderknaben, wird heute 18. Er darf fortan ohne einen Erlaubnis-Schrieb unter die Höhensonne – und auch in seinem Sport ändert sich etwas Gravierendes: Peterka kann nun das Gitter von seinem Helm abschrauben. Am Donnerstag, wenn er mit DEL-Tabellenführer EHC München in Bremerhaven antritt, wird er kein „Gitterspieler“ mehr sein.

Der komplette Gesichtsschutz – Kosten: etwa 80 Euro – ist vorgeschrieben für Frauen und für alle männlichen Spieler bis 18. Er soll verhindern, dass es zu schweren Verletzungen kommt, wie es das Eishockey sie früher erlebte: Spieler büßten ihr Augenlicht ein, wenn der Puck einschlug. Auch die Zähne konnten betroffen sein, oder es kam zu Platzwunden. Einige alte Recken haben regelrecht zusammengenähte Gesichter, der Schwede Börje Salming, heute 68, einer der ersten Europäer in der National Hockey League, hat über 200 Stiche im Gesicht – Rekord. Zu seiner Zeit war drüben nicht mal ein Helm Pflicht. In den 80er-Jahren setzte sich die Vernunft durch, inzwischen ist im Eishockey weltweit ein Halbvisier vorgeschrieben, das die Augen schützt. Weit verbreitet ist das freiwillige Einsetzen eines Zahnschutzes (wie bei den Boxern), der auch die Wirkung von gegnerischen Checks mindern kann.

„Ein Gitter geht praktisch nicht kaputt. Man könnte es auf den Boden legen und drauftreten, es würde sich nicht verbiegen“, sagt Tom Hieble, Ausrüstungsexperte (Create Sports) und selbst früherer Eishockeyspieler (Rosenheim, Erding, Bad Aibling). „Hundertprozentigen Schutz bietet es aber nicht. Wenn man einen aufs Kinn bekommt, tut es schon weh.“

EHC-Manager Christian Winkler ist sich nicht ganz sicher, „ob Jay Jay sich freut“, dass er das Gitter abnehmen kann. Natürlich könnte Peterka es weiter tragen – allerdings zu Lasten seiner Reputation und sogar seiner Karriereaussichten.

„Es geht auch um Respekt“, erklärt Tom Hieble. Er erinnert sich daran, wie man Gegenspieler nannte, die mit Vollschutz aufliefen: „Grillspieler und Gitterfresse.“ In Bundesliga und DEL gab es mal einen Stürmer, der sich nicht durchringen konnte, das Gitter abzulegen: den Düsseldorfer Oliver Kasper. Der trug es seine ganze Karriere, von 1984 bis 1999. Hieble: „Und alle haben gesagt: Dieser Schönling.“ Kasper verteidigte sich mit Hinweis auf seinen Zweit-Job: Er war auch Model.

Peterka setzt voll auf Eishockey, er ist so begabt, dass er nichts nebenher braucht. „Er will nach Amerika, schon deswegen muss er das Gitter runtermachen“, sagt der TV-Eishockey-Experte Rick Goldmann. Es würde einem jungen Spieler negativ ausgelegt, könnte er sich nicht vom Gitter trennen. Darum: Runter damit. So wie es Jack Hughes tat: Das US-Ausnahmetalent wurde 2019 während der WM in der Slowakei 18 – und nahm am Geburtstag das Gitter ab. Im Draft ging er an erster Stelle weg (an New Jersey).

Auch der Münchner John Peterka will gedraftet werden. Die aktuellste Scouting-Liste (19. November 2019) führt ihn auf Platz 18 unter den Talenten weltweit, mit der WM (vier Tore) dürfte er sich noch weiter nach oben gespielt haben. Nun muss er nur noch sein Gesicht zeigen.

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