Präsidium kontert Bierofka-Vorwürfe

von Redaktion

Vize Sitzberger dankt dem Ex-Trainer und sagt: „Wir haben ihn zu 100 Prozent unterstützt“

VON ULI KELLNER

La Manga – Schnelles Internet gibt es jetzt auch hoch über den Wolken. Die Airline Norwegian bietet für 12 Euro Highspeed-Datenvolumen an, was am Sonntagabend gut angelegtes Geld gewesen wäre. Um 22 Uhr, kurz nachdem die Löwen den Flieger gen Spanien bestiegen hatten, trat Daniel Bierofka im Bayerischen Fernsehen auf. Es war der erste öffentliche Auftritt des Ex-Trainers nach seinem Frust-Abschied vor zwei Monaten – den jedoch die meisten 1860-Profis verschliefen. Auch Sportchef Günther Gorenzel machte im Flieger lieber die Augen zu, Bierofka-Nachfolger Michael Köllner las ein Buch. Was nichts daran änderte, dass es am Tag danach kein anderes Gesprächsthema gab.

Das liegt an der Mediathek des BR, in der das 16-minütige Interview auch von Spanien aus abgerufen werden kann. So wussten die meisten schon beim Frühstück Bescheid, was Bierofka über die Umstände seines Abschieds gesagt hatte. „Mein Rücktritt war wohl überlegt“, sagte der Herzenslöwe zu Moderator Markus Othmer: „Das war nicht überstürzt. Es war ein längerer Prozess, als ich gemerkt habe, dass zwischen mir und den Verantwortlichen oder handelnden Personen keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr möglich ist. Ein Trainer braucht Rückhalt – und den habe ich nicht mehr gespürt.“

Peng. Das musste mal raus. Mehr ins Detail ging Bierofka nicht, denn es schien ihm nicht daran gelegen zu sein, schmutzige Wäsche zu waschen. Sondern um ein Signal auszusenden. Seine Botschaft: Mit Burnout oder was ihm alles angedichtet worden war, hatte sein Rückzug nichts zu tun. Ihm habe schlicht das Vertrauen in seine Arbeit gefehlt.

Beide Seiten in diesem Interview wirkten bestens vorbereitet. Bierofka redete ruhig, kam sachlich rüber und erzählte, wie es war, wieder im Alltag anzukommen. „Es war eine Umstellung, mal wieder zu IKEA zu fahren. Oder meinem 14-jährigen Sohn bei Mathe-Hausaufgaben zu helfen. Gymnasium, 8. Klasse – da muss man sich erst mal wieder reinarbeiten.“ Von Verbitterung keine Spur. Othmer wiederum fragte das, was Bierofka recht gut ins Konzept gepasst haben dürfte. Zum Beispiel, wie sehr ihn die berühmte FAQ-Affäre getroffen habe. „Dass mein Gehalt öffentlich bewertet wurde, war aus meiner Sicht ein No-Go“, sagte er. Und auch der Satz, dass 1860 nach Bierofka weiter existieren werde, habe ihm „wehgetan“. Das Präsidium des TSV 1860 dürfte freilich anders über die Aufarbeitung des BR denken. Othmers Interpretation, die e.V.-Seite wolle konsolidieren, Hasan Ismaik suche den Erfolg, dürfte nicht unbedingt die Zustimmung von Robert Reisinger finden. Auf Anfrage zog es der Präsident allerdings vor, Bierofkas Auftritt nicht zu kommentieren. Reisinger selbst war auch mal bei Othmer und musste sich kritischen Fragen stellen. Ismaik dagegen bekam ein weitgehend unkritisches Exklusivinterview. Es steht zu vermuten, dass dem Präsidium der BR durch diese Ausgabe von „Blickpunkt Sport“ nicht sympathischer geworden ist. Trotzdem setzte sich Vize Hans Sitzberger in La Manga hin, um auf Anfrage unserer Zeitung eine Stellungnahme zu formulieren: „Sowohl ich als auch meine Präsidiumskollegen haben immer hinter Bierofka gestanden und ihn und seine Arbeit mit der Mannschaft zu 100 Prozent unterstützt. Bierofka ist mit ganzem Herzen Löwe und durch und durch weißblau. Er hat für 1860 Großartiges geleistet und die Mannschaft wahnsinnig vorangebracht. Mit dem Aufstieg in die 3. Liga hat er Geschichte geschrieben. Dafür wird ihm immer nicht nur mein Dank gelten, sondern auch der von tausenden Fans und Anhängern.“

Bierofkas Anliegen dürfte jeder bei 1860 teilen: „Es wäre wünschenswert, wenn sich beide Parteien der Verantwortung stellen. Ich denke, es wäre der erste Schritt, dass sich beide mal persönlich austauschen. Der Verein braucht wieder eine Perspektive.“ Und er selbst braucht eine neue Aufgabe. Aufgeräumt wie Bierofka wirkte, dürfte er offen dafür sein.

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