München – Bernd Eisenbichler hat fast zwanzig Jahre im fernen Ausland verbracht. Der Siegsdorfer leistete Pionierarbeit für das Biathlon in den USA, zuletzt als Chief of Sport. Im vergangenen Jahr kehrte der 44-Jährige in die Heimat zurück und übernahm den Posten des Sportlichen Leiters der deutschen Biathleten. Wir unterhielten uns mit Eisenbichler vor der heute in Ruhpolding beginnenden Weltcup-Woche.
Bernd Eisenbichler, Sie haben gerade Ihre ersten Monate als Sportlicher Leiter der deutschen Biathleten hinter sich. Bei den Frauen hat es zunächst etwas geholpert. In Hochfilzen gab es sogar ein historisches Weltcuptief. Sind Sie nervös geworden?
Das Wichtigste war, ruhig zu bleiben. Wir haben es dann auch geschafft, bis zu den Heimweltcups gut in Form zu kommen. In Oberhof waren wir sehr stark unterwegs. Von großer Nervosität kann also nicht die Rede sein – weder bei mir noch bei der Mannschaft.
In Deutschland ist man an Biathlon-Erfolge gewohnt. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Bei Ihnen war es als Chef des US-Teams ja eher umgekehrt. Da waren die Erwartungen niedrig, die Erfolge mit Gold und Silber bei der WM 2017 aber überraschend groß. War das nicht eine enorme Umstellung, nunmehr ständig mit Erfolgsdruck konfrontiert zu sein?
In Amerika hatten wir nicht die Erwartungshaltung, jede Woche aufs Podium steigen zu müssen. Allerdings hat das Olympische Komitee der USA, also unser Hauptgeldgeber, am Ende der Saison immer nach Erfolgen abgerechnet. So gesehen war schon auch Druck da – allerdings auf einer anderen Leistungsebene. Grundsätzlich halte ich Druck für eine spannende Sache.
Der Druck schien aber Ihren Biathletinnen zeitweise zu schaffen gemacht zu haben.
Dass Hochfilzen nicht gut war, darüber brauchen wir nicht diskutieren. Schon bei der nächsten Weltcup-Station in Frankreich haben wir mit Denise Herrmann, Franzi Preuß und der Newcomerin Janina Hettich nachgewiesen, dass Hochfilzen ein Ausrutscher war. Aber dass wir noch Arbeit vor uns haben, das wissen wir auch.
Wie hat sich der Rücktritt von Laura Dahlmeier auf das Team ausgewirkt?
Natürlich können wir Laura nicht ersetzen. Jede Mannschaft würde sich extrem schwer tun, so eine Ausnahmeathletin ersetzen zu müssen. Wir versuchen jetzt aber immer wieder, einzelnen Athletinnen eine Chance zu geben, um sich für die Zukunft anzubieten. Aktuell haben wir mit Denise Herrmann und Franzi Preuß zwei Weltklassebiathletinnen. Dahinter müssen sich die Mädels anstrengen, dass sie die nächsten Schritte tun. Von Janina Hettich hat man da auch schon gute Ansätze gesehen. Vanessa Hinz hat es zumindest punktuell gezeigt, sie kann sicher noch mehr.
Franziska Preuß musste zuletzt – wieder einmal – eine gesundheitsbedingte Zwangspause einlegen. Anscheinend ist sie gesundheitlich labiler als andere. Macht Ihnen dieses Manko Sorgen?
Dass Franzi Weihnachten von einem Infekt erwischt wurde, ist sicher auch ein Stück weit Pech. Vielleicht ist sie ein bisschen anfälliger als andere. Aber man muss jetzt einfach schauen, dass man sie physisch stärkt. Franzi fühlt sich jedenfalls jetzt wieder gut.
Was trauen Sie ihr in dieser Saison noch zu?
Viel. Die Laufzeiten waren bisher sehr konkurrenzfähig, im Schießen wissen wir, was sie kann. Franzi ist für uns immer eine Kandidatin fürs Podium.
Bei den Männern gibt es unter den etablierten Athleten zwei Sorgenkinder. Erik Lesser und Simon Schempp. Für Ruhpolding sind beide nicht nominiert worden, inwieweit ist mit ihnen für die WM im Februar noch rechnen?
Mit seiner Schulterverletzung im Sommer war Erik in der Vorbereitung schon stark gehandicapt. Zum Weltcupauftakt in Östersund hat er dann in der Staffel gezeigt, wie wertvoll er für uns als Startläufer sein kann. Er wird seine Chance noch bekommen, sich anzubieten. Derzeit haut er sich im IBU Cup voll rein. Und was Simon angeht: Im Sommer hatte er sich nach seiner Auszeit gut gefühlt. Doch momentan stimmt seine Laufleistung nicht. Die Trainer müssen jetzt schauen, was man noch manchen kann, um ihn in relativ kurzer Zeit wieder in Form zu bringen. Momentan ist es sicher nicht so einfach.
Bei Johannes Kühn scheint dagegen der Knoten geplatzt zu sein.
Seine Entwicklung ist wirklich sehr erfreulich. Nicht nur im Laufen, in Oberhof hat er ja zweimal Bestzeit gesetzt. Das Wichtigste ist, dass er im Schießen stabiler und ein kompletterer Biathlet geworden ist. Johannes weist jede Woche nach, dass aus ihm ein Kandidat fürs Podium geworden ist.
Einen großen Sprung nach vorne hat auch Philipp Horn gemacht. Überrascht?
Er hat in der Trainingsgruppe in Oberhof ein starkes Umfeld mit Leuten wie Arnd Peiffer oder Erik Lesser. Und er hat sich da gut behauptet und Schritt für Schritt verbessert. Das hat man schon im Sommer gesehen. Man merkt auch, dass sein Selbstbewusstsein steigt. Und er hat auch schon nachgewiesen, dass er in der Staffel eine sehr gute Option für uns ist.
Am stärksten in Oberhof war Routinier Arnd Peiffer, der seit nun schon einem Jahrzehnt Spitzenleistungen abliefert.
In Oberhof war er extrem stark, vor allem läuferisch. Es ist schon enorm, dass Arnd über so einen langen Zeitraum immer wieder konkurrenzfähig auf höchstem Niveau ist. Für uns ist er eine wichtige Führungsfigur, ein Vorbild in der Mannschaft – mit seinen Erfolgen, und auch mit seiner ruhigen Art.
Und nun also das Heimspiel in Ruhpolding. Im Hexenkessel der Chiemgau Arena wartet ein Härtetest auf die Lokalmatadore. Wir sind Ihre Erwartungen?
Es herrscht in der gesamten Mannschaft eine große Vorfreude. In Oberhof haben wir noch einmal richtig Feuer für Ruhpolding entfacht: Wir sind in jedem Wettkampf ums Podium mitgelaufen. Der Aufwärtstrend ist klar erkennbar. In vier von fünf Rennen haben wir es unter die Top drei geschafft. Wenn wir das annähernd in Ruhpolding bringen, bin ich sehr zufrieden.
Interview: Armin Gibis