Wie Chilli mit Schokolade

von Redaktion

Dominic Thiem setzt auf die Hilfe von Tennis-Legende Thomas Muster: eine explosive Mischung

VON DORIS HENKEL

Melbourne – Schmecken reizvolle Gegensätze nicht viel besser als gezuckerte Harmonie? Erdbeeren mit Pfeffer oder Schokolade mit Chilli? Ungefähr in diese Abteilung jedenfalls passt die kürzlich verkündete Zusammenarbeit des besten Tennisspielers, den Österreich je hatte. Vor zwei Wochen verkündeten Thomas Muster und Dominic Thiem im Rahmen des ATP Cups den Beginn ihrer Partnerschaft, die schon eine Weile in der Planung war. 20 Wochen im Jahr wird Muster das Team Thiem begleiten, als Ergänzung zum Chilenen Nicolas Massu, der weiter an Bord bleiben wird. „Thomas ist mit Abstand der beste Spieler, den Österreich je hatte“, sagte Thiem bei dem Termin in Sydney, „er ist der einzige, der die Ziele erreicht hat, die ich noch habe. Es kann mir nichts besseres passieren, als einen wie ihn an meiner Seite zu haben.“ Muster revanchierte sich mit dem Geständnis, diesen Job hätte er für keinen anderen übernommen, obwohl es genügend Angebote gegeben habe.

Das ist auf vielen Ebenen eine reizvolle Geschichte mit einer Menge Potenzial. Thomas Muster (52), einer der besten Sandplatzspieler, die es je im Tennis gab, Sieger der French Open 1995 und im Frühjahr 1996 insgesamt sechs Wochen lang die Nummer eins, ist ein Typ mit Ecken und Kanten. Ein Freund klarer Worte. Er lebte nach dem Ende seiner Karriere lange in Australien, ging zurück nach Österreich und hat jetzt einen hübschen Besitz in der Bay Of Islands auf der Nordinsel Neuseelands mit einem nicht immer ganz unkomplizierten Verhältnis zu seinem Heimatland.

Dieser Tage in Melbourne sieht die Sache so aus, dass er nicht nur den Sparringspartner für Thiem gibt. Er wärmt sich mit ihm auf, geht hinterher mit ihm in den Kraftraum, tüftelt, vergleicht Daten, denkt und isst Tennis, Tennis, Tennis. Aber auch bei den Dingen, die er nicht tun will, ist er konsequent; die 20 Wochen, in denen er sich um Thiem kümmern wird, erstrecken sich auf Einsätze bei drei Grand-Slam- und allen Masters-1000-Turnieren, bloß Wimbledon lässt er aus. Muster gewann seinerzeit bei vier Versuchen kein einziges Spiel im All England Club; das Spiel auf Rasen war ihm so sympathisch wie Schmeicheleien. Und wenn er findet, er habe da nichts verloren, dann bleibt er lieber weg.

Muster sagt, er habe keinen Freund gehabt damals auf der Tour, das sei ja nicht der Sinn der Sache. Dominic Thiem dagegen ist im Kreise seiner Mitspieler ausgesprochen beliebt. Einer, der ungern nein sagt und niemandem freiwillig auf die Füße tritt. Muster wird kein Problem damit haben, in Zukunft gelegentlich für seinen Partner nein zu sagen, und vielleicht ist es genau ein Schuss dieser anderen, kompromisslosen Mentalität, die ihn weiterbringen kann. Aber spannend ist die Geschichte auch wegen des dritten Mannes. Nicolas Massu ist ein extrem entspannter Typ, dessen Anwesenheit Thiem im vergangenen Jahr sichtlich gut getan hatte. Der sagt: „Thomas bringt sehr viel Energie mit, hauptsächlich positiv. Der Nico ist so ein bisschen ein Gegenpol, eher gechillter, deshalb ergänzt sich das perfekt.“

Wo er sich selbst zwischen diesen Polen sieht? Eher in Massus Ecke, gibt er amüsiert zu, allerdings mit der Idee, ein wenig von Musters Wesen könne ganz hilfreich sein. Während des Spiels, das Thiem in der ersten Runde der Australian Open gewann, saßen die beiden Trainer auf der Tribüne nebeneinander, und es gab kaum einen Ball, den Muster nicht lautstark kommentierte. Es sieht ganz so aus, als stünden Dominic Thiem aufregende Zeiten bevor; vielleicht schmecken sie tatsächlich wie Chilli und dunkle Schokolade.

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