Wien/Stockholm – Zusätzliche Reisestrapazen, befürchtete Geisterstimmung im Fußballstadion, sportlich praktisch bedeutungsloser Kampf um Platz fünf – die Vorfreude auf ihre letzte EM-Reise hielt sich bei den deutschen Handballern spürbar in Grenzen, bevor sie am Donnerstag in den Flieger nach Stockholm kletterten.
„Wir wären lieber mit einem anderen Ziel nach Stockholm geflogen“, sagte Rückraumspieler Julius Kühn. Die ganz große Motivation für die erneute Flugtour quer durch Europa, daraus machte auch Kai Häfner keinen Hehl, fehlte: „Die Reise müsste nicht unbedingt sein. Ich hätte lieber noch einmal in Wien gespielt. Aber jetzt machen wir das Beste draus und hoffen, dass wir den fünften Platz bekommen.“
Und so raffen sich die Spieler noch einmal auf, sie wollen die Enttäuschung über das verpasste Edelmetall beim letzten EM-Auftritt hinter sich lassen. „Es hilft nichts, wenn man sich aufregt oder lamentiert“, sagte Kapitän Uwe Gensheimer. Nach dem vorzeitig verpassten Halbfinale hat sich seine Mannschaft EM-Platz fünf zum Ziel gesetzt, quasi als Trostpflaster für die verfehlte Medaille. „Dafür kämpfen wir jetzt am Samstag gegen einen starken Gegner Portugal“, sagte Gensheimer.
Bundestrainer Christian Prokop unterstrich die Bedeutung des letzten Spiels unter Wettkampfbedingungen vor der so wichtigen Olympia-Qualifikation im April. „Wir wollen bis zum Schluss alle Möglichkeiten nutzen, die die EM uns bietet“, sagte Prokop und erhob das Spiel gegen Portugal am Samstag (16.00/live bei ARD One), das wie alle Spiele der Finalrunde in einem Fußballstadion ausgetragen wird, damit zu einer Art Olympia-Casting.
Ab sofort geht es für die Spieler darum, sich für die anstehenden Aufgaben anzubieten. „Das ist für uns alle wichtig. Wir haben nach dem Turnier nicht mehr so viel Zeit. Das geht alles ganz, ganz schnell“, sagte Rückraumspieler Philipp Weber: „Von daher muss sich da jeder zeigen und die Zeit nutzen.“ Der Leipziger Spielmacher ist neben Rechtsaußen Timo Kastening und Torwart-Oldie Johannes Bitter einer der großen Gewinner der bisherigen Europameisterschaft und dürfte nach den gezeigten Leistungen auch dann noch zum Team gehören, wenn die vielen verletzten Stammkräfte zurückkehren.
Ihren versöhnlichen Hauptrunden-Abschluss gegen Tschechien (26:22) hatten Weber und Co. bei einem zünftigen Abendessen ausklingen lassen. Coach Prokop bezeichnete das Schnitzelessen vor dem Abflug aus Wien als „schöne Belohnung nach einer tollen Hauptrunde für uns“.
Nach schwacher Vorrunde in Trondheim hätte seine Mannschaft „richtig beschleunigt, richtig Spaß entwickelt, eine tolle Mentalität gezeigt und viel Intensität reingesteckt“, meinte der Bundestrainer. In der Wiener Stadthalle besiegte das deutsche Team Weißrussland (31:23), Österreich (34:22) und Tschechien. Eine Niederlage setzte es nur gegen Kroatien (24:25), wodurch die Chance auf das Halbfinale verspielt wurde.
Um die Kräfte seiner Spieler macht sich Prokop auch nach den bislang sieben EM-Spielen keine Sorgen. „Es sieht gut aus, weil wir die Spielanteile gegen Tschechien viel verteilt haben“, sagte Prokop, der sich mit dem gesamten Kader von 17 Spielern nach Stockholm aufmachte: „Es wird keiner von extern kommen. Es ist ein ganz tolles Zeichen auch von Patrick Wiencek, der die Mannschaft unterstützt.“ Kreisläufer Wiencek hatte das Tschechien-Spiel wegen Knieproblemen verpasst. sid