München – Sie sind wichtige Spieler bei dem Verein, dem sie seit Beginn der Rückrunde oder seit 1. Februar, nachdem das Wintertransferfenster schloss, dienen: Davie Selke soll Werder Bremen Tore zum Klassenerhalt liefern, Gleiches gilt für Mark Uth beim 1. FC Köln. Und Eintracht Frankfurt freut sich, mit Stefan Ilsanker einen erfahrenen Mittelfeldspieler im Kader zu haben.
Jedoch: Ilsanker, von RB Leipzig ausgeliehen, spielte gestern nicht für seinen neuen Verein gegen den alten; und es ist öffentlich geworden, dass auch Mark Uth nicht gegen Schalke wird spielen dürfen und Davie Selke nicht gegen Hertha BSC – die jeweils ausleihenden Vereine. Das wurde bei den Wechseln so vereinbart. Zwischen Leipzig und Frankfurt soll es für das Pokaltreffen ein „Gentleman’s Agreement“ geben, zu dem Eintracht-Trainer Adi Hütter sagt, es zu brechen wäre „sehr, sehr respektlos. Wir machen das nicht, ich möchte ein Gentleman bleiben.“ Zwischen Schalke/Köln und Berlin/Bremen existieren schriftliche Vereinbarungen. Werders Geschäftsführer Sport, Frank Baumann, erklärte: „Wenn wir uns darauf nicht eingelassen hätten, wäre die Leihe von Selke nicht zustande gekommen.“
Die TSG Hoffenheim überließ vorige Saison dem SC Freiburg leihweise Vincenzo Grifo – und untersagte, dass er gegen seinen „Besitzer“ spielen dürfe. Ein Einzelfall. Davon kann man in der ersten Transferperiode 2020 nicht mehr sprechen. „Man liest jetzt von einer ,aktuell gängigen Klausel’“, ist Dr. Christopher Wiencke aufgefallen. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht in der weltweit größten Wirtschaftskanzlei Dentons ist Spezialist für juristische Fragen im Profifußball, er hat zum Thema „Inhalt und Grenzen des Direktionsrechts bei Arbeitsverträgen mit Berufssportlern“ promoviert. Für gängig hält er eine Vertragsgestaltung zwischen Clubs, wonach der Einsatz eines Spielers ausgeschlossen wird, zwar (noch) nicht – wohl aber für legitim.
Dennoch könnten sich Probleme ergeben. Es könnte zu Widersprüchen kommen. Beispiel: Der Verein räumt dem Trainer im Anstellungsvertrag komplette Freiheit in personellen Fragen ein – mit einer Klausel, dass ein Spieler bei einer bestimmten Partie nicht zur Verfügung steht, würde er in diese Freiheit eingreifen. Oder: Ein Spieler hat – nicht ausgeschlossen – eine Einsatzgarantie zugesprochen bekommen. Könnte sie dann aufgehoben werden?
Und überhaupt: Was würde passieren, wenn der entleihende Club die Vereinbarung mit dem ausleihenden bricht und den Spieler aufstellt? Verbandsrechtlich, meint Wiencke, hätte das keine Auswirkungen, es dürfte nicht an der Spielgenehmigung fehlen und damit nicht zum Abzug womöglich gewonnener Punkte kommen, „denn es besteht nur eine privatrechtliche Einigung zwischen den Vereinen“ – und die lässt nicht die verbandsrechtliche Spielgenehmigung entfallen. Was bei einem Verstoß geschähe, hängt davon ab, wie gut ausgestaltet die Vereinbarung ist. Denkbar wäre eine Vertragsstrafe, so Wiencke, oder die Geltendmachung von Schadenersatz.
Die Frage ist, was mit Sperrklauseln bewirkt werden soll. Für Wiencke sind sie „ein Widerspruch zum Grundgedanken der Leihe“. Deren Motiv ist es, dem Spieler die Praxis zu verschaffen, die man ihm selbst nicht gewähren kann.
Was auch vermehrt auftritt – wie jetzt bei Selke: An die Leihe schließt sich nicht mehr eine „Kaufoption“ an, sondern eine „Kaufverpflichtung“ für Bremen. Bindend, auch wenn Selke enttäuschen sollte. Rechtlich okay – aber ein Beispiel dafür, dass im aufgeheizten Markt mancher Club über seinen aufgeblähten Kader erschrickt.