Hochkaräter in Lauerstellung

von Redaktion

Knöchelbruch bei Ivan Perisic: Serge Gnabry drängt zurück ins Bayern-Team

VON HANNA RAIF UND MANUEL BONKE

München – Dass Trainer dazu neigen, Spieler gegen ihre Ex-Clubs auflaufen zu lassen, ist nicht erst seit gestern bekannt. Im Fall von Serge Gnabry und der TSG Hoffenheim aber bekam die Geschichte am Nachmittag vor dem heutigen Pokalspiel eine neue Wendung. Wie Hansi Flick entschieden hätte, hätte ihm derselbe Kader zur Verfügung gestanden wie noch beim 3:1 in Mainz am Samstag, kann man seit dem Nachmittagstraining nur noch spekulieren. Denn spätestens, als Ivan Perisic auf einem Golf Car vom Platz in die medizinische Abteilung an der Säbener Straße gefahren wurde, war so gut wie klar: Gnabry wird heute Abend (20.45 Uhr/ARD) zum ersten Mal in 2020 in der Startelf der FC Bayern stehen.

Von einem „Schock“ sprach Trainer Flick, und die Diagnose gibt ihm recht: Bei Perisic muss eine Fraktur im Außenknöchel verschraubt werden, das Aufbautraining kann frühestens vier Wochen nach der Operation beginnen. Der kleine Zweikampf mit Neuzugang Alvaro Odriozola hatte große Folgen. Wenn überhaupt wird Perisic, der zuletzt fünf Mal in der Startelf stand, im Schlussspurt der Saison wieder eingreifen können. Für eine Weiterbeschäftigung nach seinem Leihgeschäft kann er nun erst mal nicht werben.

Das persönliche Schicksal des Kroaten ist hart, die Bayern aber haben natürlich das große Ganze im Blick. Dass Gnabry, der mit Achillessehnenbeschwerden in die Rückrunde gestartet war, laut Flick nun „bei 100 Prozent“ ist, passt da ganz gut. Wohl auf dem linken Flügel, wo zuletzt Perisic spielte, dürfte die einstige Hoffenheim-Leihgabe auflaufen. Dort übrigens hatte er auch schon beim 1:2 in der Bundesliga-Hinrunde gegen die Kraichgauer gestanden – es war eine von drei Partien, in der er nicht als Rechtsaußen begann.

Man tut Serge Gnabry freilich unrecht, wenn man ihn als unflexibel abstempelt. Als der Nationalspieler 2018 nach einem Jahr in Hoffenheim („der perfekte Club, um mich weiterzuentwickeln“) nach München kam, hatte er immerhin zu Protokoll gegeben, am liebsten links oder auf der Zehn zu spielen. Dass er von Hansi Flick bisher eher auf der rechten Seite eingesetzt wurde, steht auf dem Papier, die Bayern-Offensive aber rotiert in den meisten Partien kontinuierlich. Unter anderem in Gnabry, Thomas Müller, Coutinho und Kingsley Coman stehen variabel einsetzbare Spieler im Kader. Auch wenn Perisic nun fehlt, wird es Härtefälle geben. Denn Coman, so verriet Flick, soll schon am Sonntag im Liga-Gipfel gegen Leipzig, wieder auf der Bank sitzen.

„Ungeduld ist ganz normal, es wäre schlecht, wenn alle zufrieden sind“, sagte Flick gestern. Der Coach ist sich bewusst, dass jeder, der ran darf, „zeigen will, dass er in die Mannschaft gehört“. Zwar hatte er nach Gnabrys Ausfall im Wintertrainingslager noch einen Spieler für die Außenbahn gefordert, ist aber auch mit Blick auf das vorhandene Personal ab sofort als Moderator gefragt. Weder Thiago noch Müller sind in ihrer derzeitigen Form verzichtbar, trotzdem betonte Hasan Salihamidzic: „In der heißen Phase werden wir alle brauchen.“

Wie wichtig Gnabry für den Erfolg ist, hat er bewiesen. Nicht nur bei seiner Sternstunde als Vierfachtorschütze in Tottenham, sondern kontinuierlich und vor allem im Verbund mit Robert Lewandowski. 41 Tore des Offensiv-Duos waren Spitzenwert in Europas-Topligen. Und auch wenn er öffentlich lieber nicht viel sagt, hat er einen Satz geprägt, der immer passt. Als Gnabry darauf angesprochen wurde, dass Hochkaräter wie Müller für ihn auf die Bank müssten, konterte er: „Wenn ich draußen bin, sitzt auch ein Hochkaräter auf der Bank.“ Gesundes Selbstvertrauen. In Hoffenheim gereift.

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