Nur im Notfall mit der Keule

von Redaktion

Neuer beschreibt seinen Führungsstil als „feinfühlig“ – und sitzt gerne bei den Jungen am Tisch

München – Der Ausraster bleibt unvergessen, und die Reaktion auch. Als Manuel Neuer sich im Herbst – zwischen dem FC Bayern und Union Berlin stand es gerade 1:0 – beinahe mal wieder ein Gegentor gefangen hätte, platzte ihm der Kragen. Der Kapitän stauchte seine Vorderleute zusammen und bekam dafür Applaus von den Rängen, auf denen frustrierte Fans saßen. Diese Szene stand sinnbildlich für die Bayern-Krise unter Niko Kovac, auch weil sie alles andere war als das, als Manuel Neuer in seiner Rolle verkörpert.

„Ein solches Verhalten ist ja sonst nicht meine Art“, sagte der 33-Jährige nun im Vereinsmagazin „51“, klärte aber auch auf, wie er sich damals fühlte. Immer und immer wieder, sagte er, habe das Team über die schlechte Spielweise gesprochen, „und wenn man dann sieht, dass der gleiche Fehler zum wiederholten Male gemacht wird, dann wird es auch mir mal zu viel“. Ihm sei klar, dass er sich „emotional nicht ganz im Griff“ hatte, aber: „Es hat ja letztlich der Sache gedient.“ Wichtig war Neuer, klarzustellen: „Es ging mir nicht darum, eine Show hinzulegen, damit die Zuschauer applaudieren.“

Vier Monate später wirken Aktionen wie diese wie aus einer anderen Zeit. Die Bayern sind unter Hansi Flick längst zurück in der Erfolgsspur, und Neuer im Tor eher Ruhepol als Rumpelstilzchen. Ganz der ruhige, diplomatische Kapitän, der sich – so sagt er selbst – „nicht verändert“, aber „über die Jahre viel hinzugelernt“ habe. Vor allem ist in ihm die Einsicht gereift, dass sich das Mannschaftsgefüge im modernen Fußball geändert habe. Neuer, der 2017 auf Philipp Lahm im Amt des Spielführers folgte, lässt Worte fallen wie „flache Hierarchie, in der jeder seine Meinung äußern kann“. Er versucht daher, „die Mannschaft mitzunehmen“ – und zwar Jugendspieler wie gestandene Profis.

Überhaupt sagt Neuer, ist er der Jugend sehr aufgeschlossen gegenüber – anders als es Kapitäne zu seiner Jugend-Zeit waren. Ihn interessiere es, „wie junge Spieler den Fußball sehen, was sie von einem Kapitän erwarten, wie sie sich einbringen“. Als bestes Beispiel gilt da Alphonso Davies („präsent, mündig, überall gerne gesehen“), mit dem man sich „einfach gerne unterhält“. Entscheidend sei stets die Leistung, nicht das Drumherum, aber Neuer nimmt trotzdem gerne am Tisch der jungen Burschen Platz. „Da habe ich das Gefühl, in einer ganz neuen Mannschaft zu sein,“ sagt er. Früher, als er jung war, „konntest du froh sein, bei den Profis mitzutrainieren – und hast sonst die Klappe gehalten.“

Apropos Klappe: Die reißt Neuer als Kapitän gerne auf, aber attackiert bewusst niemanden. Sein Führungsstil: „Nicht mit der Keule, sondern mit Feingefühl.“ Ausnahmen – siehe Union – bestätigen die Regel. HANNA RAIF

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