Ein verlorenes Jahr

von Redaktion

Bayerns Basketballer blicken bislang auf eine verkorkste Saison zurück – das hat Gründe

VON NICO-MARIUS SCHMITZ UND PATRICK REICHELT

München – Langsam aber sicher rückt sie näher, die Zeit der Entscheidungen im Basketball. Für den FC Bayern haben sich die Ziele schon kräftig ausgedünnt. Der Pokal wanderte nach Berlin, in der Euroleague ist man Schlusslicht – einzig in der Meisterschaft liegt man noch auf Kurs. Eine magere Bilanz, die Gründe hat.

Viele Verletzte, der falsche Coach

Die ersten Auftritte in der Euroleague zum Saisonstart stimmten ja durchaus positiv. Die Ernüchterung folgte dann in Form von deutlichen Auswärtspleiten, die die Kluft zwischen Bayerns Playoff-Ziel und der sportlichen Realität offenlegten. Egal ob in Vitoria, Valencia oder auch Istanbul: Die Bayern wurden reihenweise deklassiert. Auch wenn Geschäftsführer Marko Pesic betonte, dass die Euroleague „ein Marathon“ sei, konnte man schon recht früh erkennen, dass der FCBB nicht zu den besten acht Teams gehören wird, die in die Playoffs einziehen. War das Ziel schlicht „nicht unbedingt realistisch“, wie der frühere Bayern-Profi Bryce Taylor findet? Nicht zuletzt die fehlende Entwicklung in Europa führte zum Aus für Coach Dejan Radonjic. Der bisherige Assistent Oliver Kostic brachte auch nicht wirklich Besserung.

Man ahnt: ein Verein mit dem Zuschnitt des FC Bayern braucht eine starke Trainerpersönlichkeit – der nette Montenegriner war das nie. Man muss zu seiner Ehrenrettung jedoch sagen, dass die Münchner lange erhebliche Verletzungsprobleme hatten. Teilweise fehlten bis zu sieben Spieler. In dem vollgetakteten Spielplan ist das nur schwer zu verkraften.

Problemzone Guard

„Europäischer Basketball wird von den Guards entschieden“, sagte auch Ex-Bayern-Coach Svetislav Pesic. Die Bayern vertrauten fürs Kreative lange vor allem auf den wackeren Maodo Lo. Doch der Nationalspieler ist mehr auf der Position des Shooting Guard zuhause und braucht gerade im Rennen gegen Europas Elite mit Shane Larkin & Co einen Regenten vor sich. T.J. Bray verletzte sich zu Saisonbeginn, doch auch gesund wäre es ein gehöriges Risiko gewesen, voll auf den US-Profi zu setzen, der ein starkes Jahr in Vechta als Haupterrungenschaft in der Vita hat. Malcolm Delaney wäre da schon ein ganz anderes Kaliber gewesen. Den Meisterspieler von 2014 umwarben die Bayern wohl nach Kräften – am Ende sagte er aber bei Pesic senior in Barcelona zu, wo er nun um den Titel spielt. Mit DeMarcus Nelson kam ein alter Weggefährte des Trainers, für den die Euroleague aber ebenso eine Nummer zu groß war, wie für den jungen Italiener Diego Flaccadori. „Anders als andere Clubs haben die Bayern das nicht korrigiert“, sagt Mithat Demirel. Der Ex-Nationalspieler hat es selbst schon gezeigt, wie es geht. Als Manager von Alba Berlin und Darüssafaka Istanbul – mit den Türken gewann er nach einem Halbfinalsieg über den FC Bayern den Eurocup.

Der Kader

Vor dem Start verneigte sich sogar die Konkurrenz. „So einen Kader hat es in der BBL nie gegeben“, sagte Alba Berlins Manager Marco Baldi. Mittlerweile ist klar: Die Vorschusslorbeeren inner- und außerhalb des FC Bayern waren „eine Fehleinschätzung“, wie auch Demirel findet. Spieler wie Vladimir Lucic oder Nihad Djedovic erreichten auch verletzungsbedingt noch zu selten die alte Form. Pettri Koponen ist ein guter Dreierschütze, aber vor allem defensiv nicht mehr auf der einstigen Höhe. Und die Neuen? Mathias Lessort war lange merkwürdig abgekoppelt vom Münchner Spiel. Königstransfer Greg Monroe ist sicher eine Attraktion. Die hohe Investition – der einstige NBA-Star soll rund eine Million einstreichen – rechtfertigte aber auch Monroe vor allem in Europa nur selten. Vor allem aber griffen die Bausteine im neuen Bayern-Ensemble nur selten ineinander. Die Münchner gewannen ihre Spiele oft mit individueller Klasse, nicht als Team. Liegt es tatsächlich an unterschiedlichen Philosophien, die Szenekenner Manager Daniele Baiesi und Geschäftsführer Marko Pesic attestieren? Zumindest hatten die Kaderplaner diesmal keine glückliche Hand.

Die Typen

… offenbaren sich im Basketball gerne in der Crunchtime. Im vergangenen Jahr haben Profis wie Stefan Jovic, Devin Booker oder auch Vladimir Lucic das Richtige gemacht wenn es am wichtigsten wurde. Das Ergebnis: Enge Spiele entschieden die Bayern nahezu allesamt für sich. In diesem Jahr sieht es anders aus, vor allem im Endspurt brachen die Bayern immer wieder ein und gaben auch fast schon gewonnene Spiele noch ab. Bestes Beispiel: Das Euroleague-Spiel in Mailand, in dem den Bayern eine zeitweilige 20-Punkte-Führung noch flöten ging.

Die Strategie

Die A-Lizenz für die Euroleague ist trotz der schwachen Saison so gut wie sicher. Das ist das Gute. Die Bayern wollen 2022 als europäisches Spitzenteam in die neue Halle iim Olympiapark einziehen. Unternehmerisch und wirtschaftlich mag man auf einem guten Weg sein – laut „L-Equipe“ ist der FC Bayern mit einem 23-Millionen-Budget jetzt schon immerhin die Nummer 10 der Euroleague (Alba Berlin mit 11 Millionen 17.). Sportlich steht den Bayern nach dieser Saison wohl eher ein Neustart mit vielen Fragezeichen ins Haus. Nicht zuletzt für Mithat Demirel war das vermeidbar: „Das ist ein verlorenes Jahr.“

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