München – Als Kim Kalicki (Wiesbaden) am Samstag in Altenberg zu WM-Silber fuhr, stand Laura Nolte traurig an der Eisbahn. Die 21-jährige Sportsoldatin aus Unna, Senkrechtstarterin dieser Saison, war als Mitfavoritin gestartet, doch am Freitag stürzte sie im zweiten Lauf zusammen mit ihrer Anschieberin Ann-Christin Strack. Die beiden Bobfahrerinnen schlitterten kopfüber über die Ziellinie. Zwar zog sich das Duo keine schweren körperlichen Verletzungen zu, aber an einen weiteren Start war nicht zu denken. Der Schrecken steckte beiden Sportlerinnen noch tief in den Knochen. Gestern gab Laura Nolte ihr erstes Interview nach ihrem verunglückten WM-Debüt.
Frau Nolte, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen?
Körperlich ist soweit alles gut, hier und da habe ich eine Wunde, am Knie zum Beispiel, aber das ist zweitrangig. Es ist eher der Kopf, der mir Sorgen bereitet. Ich bin ziemlich enttäuscht.
Sie sprachen von Ihrer Beziehung zur Bahn in Altenberg schon vor der WM von einer Hass-Liebe.
Dabei ist es geblieben. Am Anfang der Saison habe ich die Deutschen Meisterschaften dort gewonnen, mit großem Abstand. Und ich war in der Woche vor der WM zum Training in Altenberg, hatte gar keine Probleme, einen richtig guten Rhythmus. Dann kam das erste offizielle WM-Training, ich wollte zeigen, was ich gelernt habe, was ich kann. Es ist direkt schief gegangen, ich bin immer wieder gestürzt. Ich habe es einfach nicht hinbekommen! Im Abschlusstraining bin ich dann wieder nicht durch den Kreisel gekommen – ab da war ich fertig mit den Nerven. Es kam einfach alles zusammen, es war alles zu viel.
Hat man dann irgendwann eine Blockade im Kopf?
Man steht oben und denkt nur an den Kreisel: „Oh Gott, wie wird es, wenn ich gleich auf den Kreisel zu fahre?“ Das ist eine echte Blockade. Dabei weiß ich selbst nicht, warum es nicht geklappt hat. Ich wollte es besonders gut machen, so wie in der Theorie. Aber in der Praxis konnte ich es nicht umsetzen.
Kritisieren Sie die Bahnarbeiter? Es sind ja einige Bobs gestürzt.
Trotzdem haben die Bahnarbeiter einen guten Job gemacht, eine sehr schnelle Bahn hingestellt. Die Kaillie (Humphries, Weltmeisterin/d.Red.) ist ja auch knapp am Bahnrekord vorbeigefahren. Die Bedingungen haben es nicht leichter gemacht, aber man hätte damit umgehen können. Ich gebe die Schuld nicht weiter.
Was macht man als Pilotin, wenn man stürzt? Gibt es da ein Schema F?
Nein, es gibt da nicht die eine bzw. beste Taktik. Man sieht das auch nicht immer kommen und ist im ersten Moment überrascht, wenn der Bob kippt. Man versucht, schnell alles einzuziehen, vor allem den Kopf. Im Rennen habe ich gemerkt, meine Schulter hängt raus – da musste ich mich schnell drehen, sonst hätte ich Verbrennungen bekommen. Dann versucht man, sich festzuhalten und zu warten, bis es vorbei ist. Ich hatte ja zumindest Glück im Unglück, dass ich mich nicht schwerer verletzt habe.
Was enttäuscht Sie denn mehr: Eine verpasste WM-Medaille – oder die Tatsache, dass Sie nicht zeigen konnten, was Sie draufhaben?
Definitiv das Zweite. Von den Trainern wurde mir zwar gar kein Druck gemacht, es wurde gesagt: Du bist jung, mach deine Erfahrungen! Trotzdem wusste ich, dass es andere gibt, die Erwartungen haben. Allen voran ich selbst. Jeder hat gesehen, wie gut ich auf der Bahn bin, sogar Kaillie hat gesagt, dass sie mich als stärkste Konkurrentin um den Titel sieht. Das macht auch etwas mit einem. Ich weiß nicht, ob es für eine Medaille gereicht hätte – aber ich hätte es zumindest gerne bis zum vierten Lauf versucht.
Wie schaffen Sie es, nun wieder nach vorne zu schauen?
Bisher konnte ich gut mit Rückschlägen umgehen. In der vergangenen Saison hatte ich einige Tiefs, aus denen ich sehr gewachsen bin. Aber dieser Schlag war schon ziemlich hart, der schlimmste meiner Karriere bisher. Das wird schwieriger, das wird länger dauern. Ich arbeite da mit einem Sportpsychologen zusammen, wir wollen die Woche gut analysieren, aufarbeiten, nochmal von A bis Z durchgehen, um sie dann wieder vergessen zu können. Dann hoffe ich, auch aus diesem tiefen Tief waschen zu können.
Wie werden Sie die Angst los, die im Eiskanal ein schlechter Begleiter ist?
Da habe ich Glück: Ich bin kein bisschen ängstlich. Ich bin ja auch nach den Trainingsstürzen immer wieder eingestiegen. Trotzdem werde ich in diesem Jahr nicht mehr in Altenberg fahren. Das wäre zu viel. Nächstes Jahr werde ich wieder hier her kommen – und wissen was ich kann.
Dann wird aus dem Hass womöglich Liebe.
Ich hoffe es und glaube auch daran (lacht).
Sehen Sie: Sie lachen schon wieder.
Ich gebe mein Bestes…
Interview: Hanna Raif