Altenberg/München – Der bange Blick aufs Handy gehört bei Tina Hermann dieser Tage dazu. Es gibt in modernen Zeiten ja eine Menge verschiedener Apps, die das Wetter der kommenden Tage voraussagen, und aus Erfahrung weiß jeder Smartphone-Nutzer: Die einen sagen so, die anderen sagen so. Für die zwei WM-Tage der Skeleton-Frauen – Freitag und Samstag – schwanken die Prognosen zwischen Regen, Schnee und Trockenheit. „Leider“, sagt Hermann, die bei den Heimspielen als Titelverteidigerin an den Start geht, „können wir es eh nicht beeinflussen. Wir müssen es nehmen, wie es kommt.“
Da hat die 27-Jährige natürlich recht, und trotzdem wünscht sich jeder, der seinen Sport im Eiskanal betreibt, faire Wettkämpfe. „Wetter-Lotterie“ sagt man gerne zu den Rennen, die sich nicht wirklich auf der Bahn, sondern schon bei der Startnummern-Vergabe entscheiden, bei einer WM ist das natürlich doppelt ärgerlich. Zumal die Spitze im Damenfeld so eng zusammengerückt ist, dass Hermann von „acht Medaillenkandidatinnen“ spricht. Im Vorjahr holte sie in Whistler den Titel vor ihren beiden Teamkolleginnen Jacqueline Lölling und Sophia Griebel. „Einmalig“ sei das gewesen. Man ist im deutschen Lager bemüht darum, die Messlatte nicht zu hoch anzulegen.
Eine Medaille will Hermann, geboren in Hessen, wohnhaft in Bischofswiesen, natürlich, auch wenn das Training im Laufe der Woche „ein kleines Auf und Ab“ war. Nach einem Sturz beim Weltcup-Finale in Sigulda – wo Lölling sich den Gesamtsieg holte – musste sie den Kopf erst mal freibekommen, „man grübelt dann schon ein bisschen“. Vor den wichtigsten Rennen der Saison aber, die heute mit den ersten beiden Läufen der Herren starten, sagt sie selbstbewusst: „Mir geht’s gut, dem Schlitten auch – das sind schon mal gute Voraussetzungen.“
Die Bahn in Altenberg, auf der am Wochenende einige Bobfahrerinnen spektakulär stürzten, ist auch für die Skeletonis anspruchsvoll. Im Kreisel, sagt Hermann, „kann man schon mal auf der Seite liegen“, und auch an zahlreichen anderen Stellen könne „etwas passieren“. Wer sich mit mehr als 140 km/h kopfüber in den Eiskanal stürzt, kennt das Risiko. Hermann mag Adrenalin, sie liebt ihren Sport. Für sie ist es daher auch unverständlich, dass er öffentlich oft kaum wahrgenommen wird. Wenig TV-Zeit, schwere Sponsoren-Akquise: „Man wünscht sich schon, dass man mehr gesehen wird.“
Immerhin Freunde und Familie werden am Wochenende an der Bahn stehen, „die will ich stolz machen“, sagt Hermann. Genauso allerdings geht es ihren Teamkolleginnen Lölling und Griebel, die ebenso Gold-Chancen haben. Dass das Feld heuer so ausgeglichen ist, führt Hermann unter anderem auf die Regeländerung zurück, die zur laufenden Saison eingeführt wurde. Ein Maximalgewicht für Schlitten und Sportler sorgt dafür, dass die Unterschiede nicht mehr allzu groß sind. „Das ist für alle etwas Positives. Vor allem für mich als eher leichte Athletin.“ Weil ihr Schlitten nun schwerer ist, muss sie allerdings am Start noch explosiver sein.
Bisher ist das gut gelungen, drei Saisonsiege stehen auf dem Konto. Auf die interne Hackordnung allerdings hatte das diesmal keinen Einfluss. Bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang war das einzige Einzelzimmer im deutschen Team Lölling versprochen, die damals als Saisonbeste anreiste. In Altenberg nun haben alle drei deutschen Damen ihre eigenen vier Wände. Viel Ruhe – und Zeit, die Wetter-Apps zu checken. Womöglich ändert sich ja was. HANNA RAIF