Geschockt von den Silberpfeilen

von Redaktion

FORMEL1 Die ersten Testfahrten zeigen bereits, dass die Dominanz von Mercedes weitergeht

VON RALF BACH

München – Groß waren die Hoffnungen der Formel-1-Fangemeinde, dass es im Jahre 2020 mit der Dominanz des silbernen Seriensiegers der vergangenen Jahre vorbei sein könnte. Die Spannungsoptimisten begründeten das so: Zwischen 2019 und 2020 gibt es keine gravierenden Änderungen des Reglements. Heißt: Nicht nur Red Bull und Ferrari müssten auf dem Papier auf Augenhöhe mit Mercedes sein, sondern das ganze aus zehn Teams bestehende Feld sollte näher zusammenrücken. Soweit die Theorie. In der Praxis zeigten aber schon die ersten drei von insgesamt sechs Testfahrten in Barcelona: Mercedes ist wieder das Maß aller Dinge.

Sie fuhren mit 1.15,732 min nicht nur die beste Rundenzeit, hatten das größte Tempo in den Rennsimulationen und spulten in den drei Tagen mit 2299,570 Kilometern die größte Distanz von allen ab – sie überraschten außerdem noch mit einer technischen Innovation, die alle anderen völlig unerwartet getroffen hat. Das DAS-System (Dual Axes Steering), bei dem die Piloten Lewis Hamilton und Vallteri Bottas durch Ziehen und Drücken des Lenkrads den Sturz der Vorderräder verändern können, war Gesprächsthema Nummer 1 in Barcelona. Die Konkurrenz war gleichermaßen geschockt und angetan. Renault-Pilot Daniel Ricciardo bringt es auf den Punkt: „Unglaublich. Man hätte doch gedacht, dass die Verfolger mit besonderen Techniktricks kommen. Und wer kommt dann mit dieser aufregenden Technik? Das Team, das die letzten Jahre dominiert hat. Das zeigt, warum sie so überlegen waren.“

Bei Red Bull ist man davon überzeugt, dass das DAS-System die circa zwei Zehntel bringt, die Mercedes noch vorne ist. Chefberater Helmut Marko zur tz: „Sie holen die Zeit gegen uns, weil sie kein Untersteuern beim Einlenken in engen Kurven haben. Das erreichen sie durch DAS.“

Prognosen nach einer Testwoche sind zwar immer mit Vorsicht zu genießen, aber Hochrechnungen von Red Bull ergaben: Mercedes ist knapp vor Red Bull, danach kommt schon Racing Point. Das Team vom kanadischen Milliardär Lawrence Stroll durfte das neue Auto im Mercedes-Windkanal in Brackley entwickeln.

Heraus kam ein Auto, dass besonders im vorderen Bereich identisch ist mit dem Mercedes anno 2019 – und entsprechend schnell. Angeblich ist Renault daran, ein Protest gegen Racing Point vorzubereiten. Hintergrund: Es ist nicht erlaubt, aerodynamische Teile 1 zu 1 von anderen Teams zu übernehmen. Die Franzosen sind der Meinung, genau das habe Racing Point aber getan.

Marko: „Trotzdem ist unser Schwesterteam Alpha Tauri gut dabei, nicht weit weg von Racing Point. Das zeigt, welchen guten Job auch unser beider Motorpartner Honda über den Winter gemacht hat. Sie haben die Power Unit in jeder Beziehung verbessert. Der Motor hat mehr PS, verbraucht weniger und ist fahrbarer geworden. Aber erst bei den letzten Testfahrten, die am Mittwoch beginnen, werden wir ein klareres Bild bekommen. Wir werden besonders am Freitag in der Melbourne-Version fahren. Ich gehe davon aus, dass die anderen das auch tun. Aber ich bin überzeugt: Wir sind erster Herausforderer von Mercedes. Zwar ist Ferrari immer mit viel Sprit gefahren, wir gehen von 80 Kilogramm aus, und mit einer eher gemäßigten Motoreinstellung, aber die Aussagen sowohl von Sebastian Vettel als auch Charles Leclerc zeigen, dass sie in der ersten Testwoche nicht da standen, wo sie erhofften.“

Fest steht: Ferrari gab Rätsel auf. Bluffen sie? Laut Teamchef Mattia Binotto nicht. Der schwenkte zumindest für den Saisonauftakt am 15. März schon die weißen Flaggen. „Dort werden wir noch kein Siegerauto haben.“ Ob es eine politische Aussage Binottos war oder einfach nur die Wahrheit, wird man schon diese Woche sehen. Was man schon sagen kann: Das Mittelfeld ist eng zusammen. Williams ist drauf und dran, die rote Laterne an Haas oder Alfa Romeo abzugeben. Nur das vom Bavern Andreas Seidl geführte McLaren und das Renault-Werksteam sind noch schwer einzuordnen. Vom Chassis her gehört McLaren unter die Top Vier.

Aber beide haben ein Problem, das im Heckbereich liegt. Grund: Im Gegensatz zu Mercedes, Honda und Ferrari hat Renault nicht seinen Motor von letztem Jahr weiterentwickelt. Ein Insider: „Dann verlierst du gleich mal zwei bis drei Zehntel nur vom Motor her.“

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