Lückenfüller gesucht

von Redaktion

Lewandowski-Ausfall zwingt Bayern zu großen Umbauten – Gnabry gefragt

VON HANNA RAIF UND JONAS AUSTERMANN

München – Schon diese Leistenverletzung war ja ein Kuriosum. Da spielte Robert Lewandowski wochenlang mit gebrochener Leiste, terminierte sich den Operations-termin selbst und stand 29 Tage, einen sonnigen Urlaub und ein paar Reha-Einheiten später wieder auf dem Platz. Das Trainingslager ließ er aus, ansonsten aber war der Pole voll im Zeitplan. Dieser Mann kann scheinbar sogar Verletzungen planen.

Die Bayern hoffen natürlich auch diesmal darauf, dass der eng gesteckte Zeitplan aufgeht. Vier Wochen, so hieß es nach der Schreckensnachricht vom Mittwoch, muss es nun ohne den Torjäger gehen. Aber allein die Tatsache, dass das lädierte linke Bein zehn Tage mit einem Gipsverband ruhiggestellt werden muss, ruft Skeptiker auf den Plan. 18 Tage zwischen Krankenbett und Startelf sind nicht viel Zeit, und tatsächlich kann auch ein Vollprofi wie Robert Lewandowski rein theoretisch von Rückschlägen eingeholt werden. Läuft alles nach dem optimistischen Plan der Vereinsärzte um Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, muss es in Hoffenheim, auf Schalke, gegen Augsburg, in Berlin, gegen Frankfurt und gegen Chelsea ohne ihn gehen. Dauert es länger, muss der Notfallplan, den Hansi Flick seit vorgestern ausklügelt, ein paar Wochen länger und vor allem gegen größere Gegner greifen.

Nur zwei Trainingseinheiten blieben für eine schnelle Lösung vor dem morgigen Gastspiel in Hoffenheim. Und weil auf die Verpflichtung eines weiteren Topstürmers bisher bewusst verzichtet wurde, muss Flick sich aus dem Angebot seiner offensiven Mittelfeldspieler bedienen. Sowohl Fiete Arp als auch Joshua Zirkzee, die Lewandowski zumindest theoretisch positionsgetreu ersetzen könnten, sind keine echten Optionen. Arp spielt bei den Profis bisher überhaupt keine Rolle und steht nicht mal im Kader für die Königsklasse. Und Zirkzee hat sich bisher zwar als guter Joker bewiesen, ist aber – so auch die interne Sicht – noch nicht bereit für größere Aufgaben. Auch die Option mit Ivan Perisic, der in Lewandowskis Abwesenheit beim Test gegen den 1. FC Nürnberg in der Winterpause zentral stürmte, fällt aus. Denn der Kroate fehlt mit einer Knöchelverletzung ja mindestens bis Mitte März.

Die logischste Variante sieht Serge Gnabry als Lückenfüller an vorderster Front vor. Zwar wurde der Nationalspieler zuletzt ausschließlich auf den Außenbahnen eingesetzt und harmonierte – siehe Auftritt beim 3:0 am Dienstag in London – prächtig mit Lewandowski. Der 24-Jährige ist aber flexibel genug, um sich auch im Zentrum zurechtzufinden. Dort wird er dann wohl von Thomas Müller auf rechts und Philippe Coutinho auf links bedient. Die zentrale Rolle, die zuletzt Müller innehatte, kann der genesene Leon Goretzka einnehmen. Und wenn dann – womöglich schon kommende Woche – Kingsley Coman wieder zur Verfügung steht, gibt es noch eine Variante mehr.

Die Personalpolitik der Bayern hat zur Folge, dass ganze Mannschaftsteile rochiert werden müssen. Für Flick ist das gleich doppelt ärgerlich. Zum einen, weil ein echter Torjäger fehlt; zum anderen, weil seine vermeintliche Stammelf in den vergangenen Wochen immer besser harmonierte. Einen noch größeren Umbau wird er daher wohl nicht wagen, obwohl auch die Variante mit Al-phonso Davies als linker Offensivflügel intern bereits diskutiert worden ist. Würde der derzeit überragende Linksverteidiger eine Position weiter vorne spielen, müsste Flick auch seine Abwehr umstellen. Davies könnte neben Coutinho und Rechtsaußen Müller spielen, während David Alaba seinen ehemaligen Stammplatz als linker Verteidiger wieder einnehmen müsste. Lucas Hernandez käme dann als Innenverteidiger zurück.

Und wenn Robert Lewandowski wieder da ist: Alles Retoure? Flick hat eine Großbaustelle, muss aber auch an die Zeit danach denken. Er braucht ja nur vier Wochen einen Lückenfüller. Hoffentlich. Sonst hat er ein größeres Problem.

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