Madrid – Der ungewohnte Anblick von Mittelfeldchef Toni Kroos auf der Bank rief bei Fans und Medien gewaltiges Unverständnis hervor und brachte Real-Trainer Zinedine Zidane harsche Kritik ein. „Der deutsche Nationalspieler muss, sofern er nicht verletzt ist, bei den großen Spielen immer dabei sein“, schrieb gestern die Madrider Fachzeitung „Marca“. „Absurd“, schimpfte ein spanischer TV-Kommentator, kurz bevor Real Madrid im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League mit 1:2 (0:0) gegen Manchester City verlor.
Ausgerechnet vor dem Clásico am Sonntag gegen den Erzrivalen FC Barcelona sind die Königlichen in die Krise gerutscht. In der Königsklasse droht im Rückspiel in drei Wochen das erneute Aus im Achtelfinale. Und im Krisen-Fokus steht wieder Zidane, der sich im Duell der Supertrainer Pep Guardiola geschlagen geben musste. Der Coach habe seinem Team durch den Verzicht auf Kroos „Qualität weggenommen“, klagte „Marca“ und sprach auch aufgrund „unverständlicher Auswechslungen“ vom „schlechtesten Zidane“.
Im spanischen TV hatte Jorge Valdano, argentinischer Weltmeister von 1986, der bei Real Profi, Trainer und Funktionär war, während des Spiels gerätselt: „Nee, nee, mit Kroos muss etwas los sein, sonst müsste er doch jetzt, wo Madrid die Kontrolle verliert, aufs Feld kommen.“ Selbst beim Gegner waren sie überrumpelt.
Er sei schon „ein bisschen überrascht“ gewesen, dass Kroos nicht mitgespielt habe, sagte Ilkay Gündogan bei „Sky“. „Ich dachte erst, er wäre verletzt. Ich habe ihn – wir haben ihn als Team – erwartet. Wenn er spielt, ist er ein Anker für Real“, sagte Kroos’ Nationalteamkollege. Man habe sich eigentlich auf Kroos eingestellt.
Zidane hatte derweil nur eine dünne Erklärung parat: „Taktische Entscheidung“, sagte der Franzose. Er habe nichts gegen den Deutschen. Spanische Medien mutmaßen, der Coach habe auf Isco als torgefährlicheren Spieler gesetzt. Was auch immer Zidane im Kopf hatte: Es ging daneben, und der königliche Haussegen hängt wieder schief. Nach einer Serie von 21 Spielen ohne Niederlage zwischen Oktober und Februar kassierte Real in den vergangenen fünf Spielen drei Niederlagen – darunter das Aus im spanischen Pokal. Die Tabellenführung in der Primera División ging verloren. Bei einer Niederlage gegen Barça würde der Rückstand auf das Team von Lionel Messi und Marc-André ter Stegen auf fünf Punkte anwachsen.
Trauer und Wut in Madrid, Kontrastprogramm in Manchester. „Im Bernabeu zu gewinnen, ist genial, und wir hoffen, dass uns das in Zukunft hilft, an uns selbst zu glauben“, sagte Guardiola, der den Sieg als Ex-Barcelona-Trainer besonders genossen hat. So sah es auch Gündogan. „Natürlich haben wir nun gegenüber den Vorjahren eine ordentliche Ausgangslage für das Rückspiel“, sagte der Nationalspieler, warnte aber auch: „Real darf man aber nie abschreiben. Sie sind auch auswärts in der Lage, zwei Tore oder mehr zu erzielen.“ dpa