München – Diese drei Worte werden Jerome Boateng begleiten, bis er das Trikot des FC Bayern ein letztes Mal getragen hat. „Back to earth“, zurück auf die Erde, das war ja vor einigen Jahren der Ratschlag, den Karl-Heinz Rummenigge dem Weltmeister vor einer laufenden Kamera gegeben hatte. Damals, zwei Jahre nach dem WM-Sieg, war Boateng in aller Munde, heimste Preise ein, wurde für sein Engagement in Integrationsfragen gelobt. Er war viel auf roten Teppichen, der Fokus schien Rummenigge verrutscht.
Es hat durchaus etwas Lustiges, die Entwicklung von Jerome Boateng seit diesen vor vier Jahren getätigten Aussagen zu beobachten. Denn auch heute, wenn dieser inzwischen 31 Jahre alte Mann aus dem Stadion spaziert, sieht er bisweilen aus, als hebe er gleich ab. Während die Kollegen in Trainingsklamotte in ihre Autos huschen, ist Boateng meist von Kopf bis Fuß gestylt. In Designer-Ware wohlgemerkt. Mit Brillen aus der eigenen Kollektion. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass er seine Leistung auf dem Platz des FC Bayern derzeit solide bringt. Zuletzt beim 3:0 in London, wo er sogar eine Art Renaissance erlebte.
Ja, tatsächlich: Jerome Boateng ist unter Trainer Hansi Flick wieder auf dem besten Weg zu alter Stärke. Beim Sieg gegen Chelsea hatte der Innenverteidiger einen maßgeblichen Anteil daran, dass die Londoner Offensive weitgehend kaltgestellt war: Er konzentrierte sich aufs Wesentliche – wenn er einen Ball schlagen musste, schlug er ihn. Wenn er grätschen musste, grätschte er. Außerdem übernahm er die Luft-Bewachung von Olivier Giroud. Angenehm – kompromisslos in allen Belangen. Alles Gründe, weswegen Boateng derzeit im Konkurrenzkampf mit Lucas Hernandez um die zweite Innenverteidiger-Position neben Abwehrchef David Alaba die Nase vorne hat.
Es ist eine verrückte Situation, die der FC Bayern und Boateng erleben. Immerhin glaubte ja vor dieser Saison – und der davor und der davor – kaum jemand daran, dass die Beziehung zwischen Verein und wechselwilligem Spieler wieder aufblühen kann. „Von uns Spielern war er nie abgeschrieben. Dass er wichtig für uns ist, wissen wir alle. Ich glaube, dass er sich richtig entschieden hat, wenn man seine Leistungen sieht in den letzten Wochen“, sagt Manuel Neuer. Der Kapitän begründete die aktuelle Wichtigkeit von Boateng auch mit der Tatsache, dass er ein Rechtsfuß ist, anders als Alaba, Alphonso Davies und Hernandez.
Boateng selbst meldete sich nach seinem starken Auftritt via Instagram zu Wort. Dort postete er eine Fotomontage von sich, die ihn mit einem Papp-Schild zeigt. „London ist immer eine Reise wert“, ist darauf zu lesen. Er hat mit den Bayern schon viele Schlachten in der britischen Hauptstadt geschlagen, am Dienstag war er neben Neuer, Thomas Müller und David Alaba einer von vier Spielern in der Startelf, die in Wembley triumphiert hatten. Schon damals, 2013, war er ein Leistungsträger. Sogar ganz offiziell einer mit Bodenhaftung.