Sinsheim – Dietmar Hopp meldete sich am Tag danach zu Wort. „Ich warte jetzt gespannt ab, wie das alles ins Rollen kommt“, sagte der 79-Jährige zu „Sport1“. Bewusst hatte er sich am Samstag nicht mehr geäußert, „sehr aufgewühlt“ sei der Mäzen der TSG Hoffenheim gewesen, hatte Geschäftsführer Peter Görlich gesagt. „Den Umständen entsprechend“ war sein Wohlbefinden dann gestern, obwohl die Anfeindungen gegen seine Person „eine neue Dimension“ erreicht hatten. Was den Mann, der seinen Herzensverein vom Dorfclub zum Europacup-Teilnehmer gemacht hat, positiv stimmt: „Ich habe diese Solidarität gespürt – und es ist eine große Hilfe, dass da jetzt durchgegriffen wird.“
Der 29. Februar 2020 wird im deutschen Fußball nachhallen, so viel ist nicht nur Hopp bewusst. Der Milliardär stand aufgrund der Vorkommnisse in mehreren Stadien an diesem 24. Spieltag im Mittelpunkt der Grundsatzentscheidung, dass „mit dem heutigen Tag ein Umdenken stattfinden muss“, wie Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge betonte. Auch wenn zu lange, zu oft und zu offensichtlich die Augen vor Fremdenfeindlichkeit und Diffamierung in den Stadien verschlossen wurde, sind DFB, DFL und die Bundeliga-Vereine nun aufgerüttelt. „Manche haben recht, wenn sie sagen, wir hätten viel früher durchgreifen müssen“, sagte DFB-Präsident Fritz Keller im „Aktuellen Sportstudio“. Er fügte aber hinzu: „Wir sind am Tiefpunkt angekommen. Jetzt muss durchgegriffen werden. So geht es nicht weiter.“ Ähnlich äußerte sich DFL-Boss Christian Seifert, der verlauten ließ: „Jegliche Art von Hass darf keinen Platz haben, dies muss der Anspruch des gesamten deutschen Profi-Fußballs sein.“
Als Symbolbilder gehen freilich jene aus Sinsheim in die Geschichte ein. Auch Keller bedankte sich beim FC Bayern sowie der TSG Hoffenheim für den Nichtangriffspakt, der „den Chaoten nicht das gelassen, was sie wollten, nämlich das Spiel zu zerstören und Macht über das Spiel zu haben – großartig!“ Die Dimension des Problems mit Teilen der Fanlager aber wurde am Wochenende auch in zahlreichen anderen Stadien offensichtlich. Unter anderem am Rande der Partie zwischen Dortmund und Freiburg sowie den Spielen zwischen dem 1. FC Köln und Schalke 04 und Union und Wolfsburg hetzten Ultras gegen Hopp – wie schon am vergangenen Spieltag in Mönchengladbach, Stichwort Fadenkreuz. Alles aus Solidarität mit den BVB-Anhängern, die in den kommenden beiden Spielzeiten wegen dauerhafter Hopp-Schmähungen keinen Zutritt zum Sinsheimer Stadion bekommen werden.
„Die Personen, die das anrichten, müssen weg bleiben“, sagte auch Hopp, der sich allerdings „nicht erklären“ kann, „warum die mich so anfeinden“. Nicht nur er selbst fühlt sich „an dunkle Zeiten“ erinnert. Hass, Hetze, Rassismus, Homophobie und Diskriminierung – das „hässliche Gesicht des Fußballs“ (Rummenigge) soll in den Stadien keinen Platz mehr haben. In Münster erhoben sich die Fans und identifizierten im Kollektiv den Einzeltäter, nach dem Tag null in Sinsheim hoffen die Verantwortlichen im deutschen Fußball, dass nun alle zusammenstehen. Gegen die gesellschaftliche Verrohung, die in Fußballstadien sichtbar wird.
„Intelligenz, Klarheit und Kraft“ sind die drei Schlagworte, die Rummenigge für diesen Kampf nannte. Es prallen Welten aufeinander. Kölns Manager Horst Heldt setzt auf „Kommunikation, ohne die es keine Lösung geben kann“, die Fronten aber sind verhärtet. DFB-Boss Keller verteidigte das Urteil, in dem Kollektivstrafen verhängt wurden – Teile der Anhänger sehen das anders. Keller will „die Ultras nicht über einen Kamm scheren“, stellte aber sogar die Stehplätze in den Stadien infrage.
Lösungen müssen in den kommenden Wochen gefunden werden, noch gibt es keine. Sicher ist bisher nur: Hopp wird weiter ins Stadion gehen. „Warum sollte ich das nicht mehr tun?“