München – Professionelle Spielvorbereitung und eine hohe Bereitschaft, Belastungsgrenzen zu überschreiten: Was Michael Köllner von seinen Spielern fordert, lebt er täglich vor. Eine Kostprobe dieses Eifers durfte auch seine Frau am Wochenende erleben, nachdem die Löwen samstags Chemnitz niedergerungen (4:3) und vor dem Sonntagsbrunch auch noch ein Testspiel gegen Rain am Lech bestritten hatten (3:2). Die erste Handlung, als der 1860-Coach endlich bei der Familie eintraf: Er schaltete den Fernseher an, um sich bei Magenta ein Spiel von Jena anzuschauen, dem morgigen Auswärtsgegner. „Klar, dass man da nicht gerade mit offenen Armen empfangen wird“, schilderte der Arbeitswütige die überschaubare Reaktion seiner besseren Hälfte.
Auch die Pressekonferenz vor dem Jena-Spiel hatte Köllner wie immer akribisch vorbereitet. Vor ihm lagen zwei DIN-A4-Seiten, sauber mit gefetteten Unterpunkten gegliedert, doch jeder, der mal einen Spickzettel geschrieben hat, der weiß: Am Ende sind die Inhalte eh im Kopf abgespeichert. Köllner redete jedenfalls frei – frei auch von der Leber weg, denn im Rahmen seines 42-Minuten-Monologs (Stichwort: über die Grenzen gehen) ließ er kein Thema aus, ob sportlich und seine Löwen betreffend oder politisch, die Lage im deutschen Fußball streifend.
Erfreulichstes Thema war die stolze Erfolgsserie, die seine Löwen auch in Jena fortsetzen wollen. 13 Partien ohne Niederlage sind ein Lauf, den im deutschen Profifußball weder Drittligaaufsteiger Waldhof (12) noch der FC Bayern (10) vorweisen kann. Für Köllner „sicherlich eine tolle Bestätigung für unseren Weg“, sagte er, „aber leider kriege ich nichts dafür. Weder habe ich vom Geschäftsführer eine Lohnerhöhung bekommen noch einen Punkt mehr auf dem Konto.“ Den Zusatzzähler, sagt der ehrgeizige Coach, würde er im Zweifel lieber nehmen.
Zwei Punkte gekostet hätte die Löwen beinahe einer der Besten: Efkan Bekiroglu. Sein Katastrophen-Fehlpass vor dem 3:3 war in der Nachbereitung des Chemnitz-Spiels ein Thema, öffentlich wollte Köllner aber nicht mehr näher darauf eingehen. „Wir können jetzt wochenlang psychologische Ränkespiele aufführen, warum er das gemacht hat. Ist er in Verhandlungen mit einem anderen Verein? Käse! Efkan ist 100-prozentig konzentriert und weiß selber, dass das einfach ein Sch . . . ding war.“
Wettgemacht hat den Lapsus Prince Owusu, der nach seinem Last-Minute-Siegtor auf einen Startelfeinsatz hoffen darf. „Verdient hätte er sich den“, sagt Köllner, gibt aber zu, plötzlich ein Luxusproblem im Angriff zu haben: „Soll ich jetzt Sascha Mölders rausnehmen? Oder Stefan Lex, der das Spiel mit einer überragenden Leistung auf unsere Seite gezogen hat?“ Tendenz: Für die Bielefeld-Leihgabe bleibt erst mal die ungeliebte Jokerrolle.
Zum Schluss und am Ende seines Vortrags streifte Köllner auch noch die großen Themen dieser Woche – den Sittenverfall in der deutschen Gesellschaft und in Teilen der Fankurve, Stichwort Dietmar Hopp und Hasan Ismaik. „Man muss sich immer vorstellen: Was ist, wenn das mein Gesicht wäre?“, sagte Köllner zu den ominösen Hassplakaten: „Ich denke, es würde sich keiner darüber freuen, wenn er mit wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen diffamiert wird. Ich verurteile das grundsätzlich. Das Miteinander geht verloren. Wir überschreiten Grenzen in den sozialen Medien – und das ufert auch im normalen Leben aus.“
Und damit zurück zum Sport – und zum Spiel, über das Köllner sagt: „Jena ist der Regionalliga tabellarisch recht nah. Die werden sicher alles daran setzen, um gegen uns noch mal den Turnaround zu schaffen.“ Erfreulich für 1860: Daniel Wein ist wieder fit. Ersetzen muss Köllner dagegen den gelbgesperrten Dennis Erdmann.