München – Als Marcel Schrötter ans Telefon geht, befindet er sich auf dem Weg nach Barcelona. Gleich zu Beginn muss er das Gespräch deshalb unterbrechen. Die Maut ist fällig. Der in Spanien lebende Motorradpilot fährt zu einem Physiotherapeuten. Sein rechter Arm macht während der Rennen Probleme. „Das ist schon immer so, manchmal ist es besser, manchmal schlechter“, offenbart der 27-Jährige. „Das ist etwas, das mich immer ein wenig aufhält.“
Aufhalten darf Schrötter am Sonntag in Katar nichts mehr, soll es endlich mit der Erfüllung seines großen Traums klappen. Es wird ein wichtiges Jahr für den Vilgertshofener (Landkreis Landsberg am Lech), der 2021 den Sprung in die MotoGP schaffen will. Seit acht Jahren fährt er in der zweitklassigen Moto2. „Die MotoGP ist das Höchste“, schwärmt der einzige verbliebene Deutsche in der Motorrad-WM. „Und ich weiß auch, dass ich es auf der großen Maschine kann.“ Der kommerzielle Rechteinhaber der MotoGP, die Dorna, hätte aus Vermarktungsgründen gerne wieder einen Deutschen in der Königsklasse. Doch Schrötter muss die Ergebnisse liefern. Ansonsten sind dem spanischen Unternehmen die Hände gebunden. „Geschenkt bekomme ich nix“, sagt er. „Aber das will ich ja auch gar nicht.“
2019 war er ganz nah dran am ersten Moto2-Sieg. In den ersten sechs Rennen stellte er seine Kalex dreimal auf die Pole-Position. Und auch wenn der Pilot des deutschen IntactGP-Teams passable Platzierungen einfuhr, ganz oben auf dem Treppchen stand am Ende ein anderer. Probleme mit größeren Hinterreifen und anhaltendes Verletzungspech ließen Schrötter in der zweiten Saisonhälfte den Anschluss verlieren.
Erkenntnisse aus den Tests in Jerez stimmen den Oberbayern optimistisch, dass es in diesem Jahr anders laufen wird. Mit der härteren Mischung der Dunlop-Reifen fühlt er sich wohl. „Bei Strecken, auf denen die Reifenabnutzung stark ist, ist es zum Schluss raus von Vorteil, wenn man härter fahren kann“, erklärt er.
Letztlich fuhr Schrötter die zwölftbeste Zeit, während sein Teamkollege Tom Lüthi aus der Schweiz den Kurs am schnellsten umrundete. Aber die Verhältnisse in Jerez und Doha könne man nur schwer miteinander vergleichen. „Wenn’s nach Katar geht, sieht das alles ganz anders aus“, weiß Schrötter.
„Der Mega-Traum wäre natürlich, mit einem Sieg in die Saison zu starten“, sagt der Pilot, der in diesem Jahr etwas mehr ins Risiko gehen möchte. „Ich will mir aber keine großen Vorstellungen machen, sondern Spaß haben und ein Gefühl für das Motorrad kriegen.“
Konstante Ergebnisse in den Top Fünf und der regelmäßige Kampf um Podestplätze sollen ihm den Weg in die MotoGP ebnen. „Man muss auch realisieren, dass ich nicht jünger werde“, merkt Schrötter an. Wenn es jetzt nicht klappt, hat sich sein großes Ziel womöglich für immer erledigt. „Die Chance überhaupt nicht zu bekommen, wäre enttäuschend“, gesteht er. Für den Fall der Fälle gibt es mit der Superbike-WM aber einen Plan B: „Wenn ich den Sprung in die GP nicht schaffe, sehe ich keinen Sinn darin, noch sechs Jahre Moto2 zu fahren, wenn man in der Superbike-WM mehr Geld verdienen kann.“ JULIAN NETT