München – Friseurbesuch vor dem Jena-Spiel, am Mittwoch ein Abendessen „mit dem Sohnemann“. Nein, Michael Köllner erweckt nicht den Eindruck, als würde er sich von den Auswirkungen der Coronakrise über Gebühr in seinem Alltag einschränken lassen. Der Löwen-Trainer sagte gestern: „Man muss aufpassen, dass man die Infektionsherde meidet, aber ich kann mich jetzt nicht zu Hause einsperren. Eine gewisse Lebensqualität lasse ich mir nicht nehmen. Sonst müsste ich Eremit werden.“
Diesen Zustand hält ein geselliger Mensch wie Köllner für wenig erstrebenswert. Es reicht dem bekennenden „Workaholic“ schon, dass sein Berufsfeld – der Fußball – massiven Einschränkungen unterliegt. Die nächsten beiden Drittligaspieltage wurden abgesagt. Und sollte das nächste Spiel wirklich stattfinden, am Samstag in acht Tagen gegen Würzburg, dann bestenfalls ohne Zuschauer, was Köllner nur für eine mittelgute Idee hält: „Ohne Publikum hallt es, du hörst die Spieler reden. Das ist für mich nicht richtig Fußball.“
Dass die Zeiten schwierig sind, ist dem Oberpfälzer bewusst. Er teilt aber die vorherrschende Meinung im Verein, dass es fahrlässig wäre, gerade jetzt die Zügel schleifen zu lassen. Am griffigsten drückte das Sportchef Günther Gorenzel aus, der gleich zu Beginn der umgewidmeten Spieltagspressekonferenz klarstellte: „Das Coronavirus wird 1860 nicht stoppen. Wir werden uns intern nicht hinter dem Virus verstecken. Jeder muss in seinem Bereich Entwicklungen vorantreiben.“
Bedeutet für Köllner und die Löwen-Profis: Der Trainingsrhythmus bleibt bestehen – und der Wettkampfrhythmus soll am Samstag mittels eines Testspiels simuliert werden (Gegner und Spielstätte werden gesucht). Köllner begründet das so: „Der Betrieb muss weitergehen. Du darfst als Verein nicht auf die Stopptaste drücken. Wir versuchen, lösungsorientiert zu handeln, nicht panisch, aktionistisch. Ich glaube, es erwartet jeder von mir, dass ich meinen Job seriös ausübe und die Mannschaft perfekt vorbereite.“
Das Verfolgen der Nachrichtenlage übernimmt derweil Sportchef Gorenzel – und der rief erneut dazu auf, „eine ganzheitliche Lösung für den Fußball“ zu finden. Sein Vorschlag: Ligen aussetzen. Warten, bis die größte Corona-Gefahr gebannt ist – „und dann im geregelten Modus die Meisterschaft zu Ende spielen“. Gorenzels Appell an die Entscheider in den Verbänden setzt bei der UEFA an, die er dazu aufruft, die EM schnellstens abzusagen. „Zeit gewinnen, das ganze Ding hinten rausschieben.“ So sähe Gorenzels Strategie aus, „denn wenn wir eine EURO durchboxen wollen, werden wir ein Problem haben“.
Bis entschieden ist, wie es weitergeht, im großen wie im kleinen Fußball, will auch Gorenzel ganz normal seiner Arbeit nachkommen, sprich: Vertragsverhandlungen führen, Kader planen – und die Moral im Verein hochhalten. „Die Löwenfamilie rückt jetzt noch enger zusammen“, betonte er und scherzte: „Nicht physisch, das wäre gerade ein schlechter Ratgeber aber vom Mentalen her und von der Identifikation.“
Auch Köllner, der Arbeitswütige, sehnt den Tag vorbei, an dem wieder Normalität einkehrt – im Fußball wie im echten Leben. Sein Vertrauen diesbezüglich ist groß. „Die Welt ist schon mit anderen Dingen klargekommen“, sagte der Coach: „Da werden wir auch den Coronavirus in den Griff kriegen.“ ULI KELLNER