Sport in Corona-Zeiten

Verantwortungslose Zauderer

von Redaktion

ARMIN GIBIS

Wie ein Tsunami brachen die Hiobsbotschaften in den letzten Tagen auch über den Sport herein. Geisterspiele, Saisonabbrüche, erste Infektionen mit dem Coronavirus. Keine Sparte, kein Wettbewerb, der nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Groß also ist der Schrecken, die Gefahren dieser globalen Krankheit sind dabei klar erkannt. Umso erstaunlicher – und zum Teil auch empörender – ,wie schwer sich manche Branche damit tat, die unbedingt notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Formel-1-Champion Lewis Hamilton brachte es auf den Punkt: „Cash is king.“ Das Geld ist der König.

Tatsächlich bedurfte es erst eines Coronafalls und des Rückzugs des McLaren-Teams, bis in der milliardenschweren Formel 1 erstmals darüber nachgedacht wurde, ob es in Zeiten weltweiter Corona-Bedrohung eine gute Idee ist, zum WM-Auftakt in Melbourne an die 300 000 Fans für ein Autorennen zusammenströmen zu lassen. Vor dem Hintergrund der verheerenden Buschbrände in Australien und der Diskussionen um die Klimakatastrophe wirken die rund 1000 PS starken Boliden ohnehin schon reichlich deplatziert. Dass die Formel 1 nun so lange Zeit die Virus-Bedrohung weitgehend ignorierte und glaubte, die so rentierliche Show könne einfach so weitergehen, lässt doch stark an der Charakterfestigkeit des Metiers zweifeln. Immerhin deuete sich gestern an, das die Verantwortlichen noch zu später Einsicht gelangen.

Auch der Profifußball machte zuletzt nicht immer den Eindruck, über ausgeprägten Realitätssinn und Verantwortungsbewusstsein zu verfügen. Erst nach längerem Zögern und Zaudern wurden einheitlich einschneidende Maßnahmen ergriffen. Sicher, gerade die Vereine unterhalb der Ersten Bundesliga treffen die fehlenden Zuschauereinnahmen ins finanzielle Mark. Doch in schwierigen Zeiten wie diesen gelten eben andere Prioritäten. An erster Stelle muss immer die Gesundheit stehen. Auch der UEFA, die sich immer noch bedeckt hält, wird nichts anderes übrig bleiben, als sich diesem Gebot zu beugen. Kurz: Die Verschiebung der Fußball-EM ist unvermeidbar.

Höchste Zeit ist es auch für die Mächtigen Olympias, sich sehr ernsthaft mit einer Absage der Sommerspiele zu befassen. Stattdessen wurde gestern von einer Schauspielerin im Gewand einer Hohepriesterin das olympische Feuer entfacht. Es wirkt wie ein absurdes Theater.

Armin Gibis@ovb.net

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