„Es fühlt sich nicht wie ein Happy End an“

von Redaktion

Skispringer beenden eine starke Saison – doch vor allem die schwere Verletzung von Stephan Leyhe drückt auf die Stimmung

München – Karl Geiger genoss früher als geplant die reine Bergluft seiner Allgäuer Heimat, Stephan Leyhe schmiedete noch im Krankenhausbett neue Pläne: Die beiden deutschen Hauptdarsteller eines nicht nur sportlich denkwürdigen Skisprung-Winters mussten die Gefühle nach dem abrupten Saisonende erst einmal sortieren. Das Premierenjahr unter dem neuen Bundestrainer Stefan Horngacher brachte beiden zwar große Erfolge – doch nicht nur Leyhes Kreuzbandriss öffnet elf Monate vor der Heim-WM in Oberstdorf Baustellen.

„Es sind gerade sehr gemischte Gefühle“, sagte Geiger, der sich zur deutschen Nummer eins entwickelt hat: „Wir haben den Nationencup gewonnen, ich bin super zufrieden mit meinem Winter. Aber wir haben die Saison nicht beenden können, ein Teamkollege ist verletzt. Im Moment fühlt sich das nicht wie ein Happy End an.“

Die persönliche Bilanz Geigers ist herausragend: Platz zwei im Gesamtweltcup, vier Siege, sieben weitere Podestplätze. Gerade in der schwierigen Anfangsphase des Winters war er der einzige, der das System Horngacher umsetzen konnte. Erst nach dem Jahreswechsel, als Leyhe mit seinem ersten Karrieresieg und einem zweiten Platz auftrumpfte, verteilte sich die Last. Umso bitterer, dass sich Leyhe im letzten Durchgang der wegen der Coronakrise vor dem Ende der Raw-Air-Tournee abgebrochenen Saison schwer verletzte. Leyhe ist mittlerweile am demolierten Knie operiert worden.

„Jetzt gilt es, nach vorne zu schauen“, sagte der 28-Jährige: „Mit der erfolgreichen Operation sind die Voraussetzungen geschaffen, um nun konzentriert in der Reha zu arbeiten und dann die Heim-WM in Oberstdorf ins Visier zu nehmen.“

Dennoch: Bis zu den Heim-Weltmeisterschaften (23. Februar bis 7. März 2021) wird es für Leyhe ein Wettlauf mit der Zeit. Ein Wettlauf, in dem er nichts überstürzen darf – das lehrt das Beispiel Severin Freund. Dem Ex-Weltmeister riss Anfang 2017 das Kreuzband. Um bei Olympia 2018 in Topform zu sein, stieg Freund früh wieder ein – und erlitt prompt den zweiten Kreuzbandriss.

Leyhe und Freund sind nicht die einzigen deutschen Patienten: Neben Geiger stünde derzeit nur Youngster Constantin Schmid uneingeschränkt für höchste Aufgaben zur Verfügung. Dreifach-Weltmeister Markus Eisenbichler erlebte – trotz Platz zwei in Lillehammer – eine Saison zum Vergessen. Richard Freitag war zuletzt mental völlig von der Rolle.

Bei den weiteren „Kniefällen“ ist Andreas Wellinger weiter als David Siegel. Der Olympiasieger ist nach seinem Kreuzbandriss voll belastbar, wie er den wettkampflosen Winter wegstecken kann, muss sich aber zeigen. Hinter der Rückkehr Siegels, dessen Knieverletzung im Januar 2019 deutlich schwerer war, steht ein größeres Fragezeichen.

Doch: Die Saison 2020/21 mit ihren gleich drei Höhepunkten – Vierschanzentournee, Nordische WM, um ein Jahr verschobene Flug-WM – wird hochspannend. Vor allem Geiger will mehr: „Ich habe mich niemals so bereit und motiviert für Oberstdorf 2021 gefühlt wie jetzt.“  sid

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