Nun hat der europäische Fußball Verband (UEFA) also endlich Vernunft gezeigt. Das größte Fußball-Fest des Kontinents, die Europameisterschaft, ist vertagt. Das absurde Alternativszenario, die EM-Geburtstagsparty zum 60-jährigen Bestehen, in leeren Stadien auszutragen, in einer Welt, in der das Virus wütet, ist damit glücklicherweise vom Tisch.
Wobei das beim gestrigen Beschluss nur ein Nebenaspekt war. Die Verschiebung des paneuropäischen Turniers ist vor allem ein Versuch des Fußballs, sich selbst zu retten. Indem man den nationalen Ligen, auch der Bundesliga, die Chance eröffnet, den Betrieb möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende zu bringen. Gelingt das nicht, dann gehen Einnahmen aus Fernsehverträgen und Sponsoring verloren. Was das hieße, stellte DFL-Chef Christian Seifert zu Wochenbeginn in seinem Statement ziemlich unverblümt klar: „Dann werden wir keine 20 Proficlubs mehr haben.“
Man kann die Gedanken der Fußballmacher verantwortungsvoll nennen. Aber sie sind auch ein bisschen blauäugig. Wenn der , derzeit sehr gefragte Berliner Virologe Christian Drosten Recht behält, dann wird die Corona-Pandemie in Deutschland erst im Bereich zwischen Juni und August den Höhepunkt erreichen.
Und schon jetzt sind unter den Infizierten auch Fußball-Profis . In der zweiten Liga gehören nicht zuletzt Hannover 96 und der 1.FC Nürnberg zu den Betroffenen. Im Oberhaus wurde nun die komplette Mannschaft von Hertha BSC Berlin wegen eines Corona-Falls unter Quarantäne gestellt. Man muss kein Berufspessimist sein um zu erahnen: Weitere Fälle werden folgen.
Von bunten Fußballfesten in vollen Stadien ist ja schon längst keine Rede mehr. Doch unter den gegebenen Umständen scheint auch ein geregelter Not-Spielbetrieb unter Ausschluss der Fangemeinden auf längere Sicht kaum vorstellbar.
Aber wer weiß, vielleicht birgt diese Situation ja auch eine Chance. Zuletzt wurde der Eindruck ja immer deutlicher, dass sich der Fußball von den Menschen immer weiter entfernt. Dass seine Protagonisten in eine eigene Welt abdriften. Der Fußball aber bekommt nun vor Augen geführt, dass er in Krisenzeiten genauso verwundbar ist wie die ihn umgebende Gesellschaft. Die Verlegung der EM ist das beste Beispiel dafür.
patrick.reichelt@ovb.net