Köln – Es klingt nach Hollywood: Mittelloser Held überwindet alle Widerstände, kämpft sich nach oben und erobert einen Platz in der Gesellschaft, der für ihn eigentlich nicht vorgesehen war. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Eine amerikanische Sehnsucht, die in der Traumfabrik Los Angeles zu Hause ist. Oder in Monheim am Rhein.
Dort, 30 Kilometer nördlich von Köln, steht die Kommando-Zentrale von Volker Struth und seiner Agentur „SportsTotal“. An die 100 Fußballer arbeiten mit ihm und seinen Partnern Dirk Hebel und Sascha Breese zusammen. Ihr Klientel gehört zur europäischen Kicker-Elite: Toni Kross, Marco Reus, Luca Waldschmidt, Dayot Upamecano, Lars Stindl, Suat Serdar – alles Spieler, die auf die Beratung von Struth setzen.
Der Wert seines illustren Kaders wird momentan auf 418 Millionen Euro taxiert. In der „Forbes“-Liste der mächtigsten Fußball-Berater auf der Welt rangiert der in Pulheim geborene Struth auf Platz vier. Laut dem US-Wirtschaftsmagazin hat er bei „SportsTotal“ im Geschäftsjahr 2019 Verträge mit einem Gesamtvolumen von 392 Millionen Euro abgeschlossen. Dafür Provisionen von 39,2 Millionen Euro kassiert – also durchschnittlich zehn Prozent. Vor ihm stehen in diesem Ranking nur die Berater von Gareth Bale (Jonathan Barnett), Zlatan Ibrahimovic (Carmine ,,Mino“ Raiola) und Cristiano Ronaldo (Jorge Mendes).
Wer ist der Mann, der vom beschaulichen Monheim aus die nationale und internationale Fußball-Szene aufmischt? Struth wächst als verwaister Junge bei seiner Oma auf. Das Geld ist knapp, sehr knapp. Nach eigenen Angaben wird er von der Großmutter an der Armutsgrenze groß gezogen. Als kleiner Junge entdeckt er in einem Kölner Nobelviertel einmal ein Garten-Grundstück mit Pool und weiß sofort: so etwas will ich auch einmal haben.
Aus der schwierigen Kindheit resultiert auch sein Wahlspruch, den er gerne und oft zitiert: „Mitleid kriegst du geschenkt. Neid und Missgunst musst du dir erarbeiten.“ Der junge Volker ist ein sehr passabler Kicker. Eine Profi-Karriere bleibt dem Reise-Liebhaber jedoch verwehrt. Er verlässt die Schule nach der mittleren Reife und absolviert eine Zimmermannslehre, darauf noch eine zum Industriekaufmann bei Ford. Sein ständiger Begleiter: Der Drang, sein eigener Boss zu sein.
Mit 25 Jahren gründet er mit seiner damaligen Freundin sein erstes Unternehmen, das Büromaterial vertreibt. In nur drei Jahren steigt die Garagen-Firma unter die zehn umsatzstärksten Büromaterial-Unternehmen Deutschlands auf. Doch Struth will mehr: „Locher und Aktenordner bis zur Rente? Das konnte ich mir nicht vorstellen.“
Er erfindet den Mottoschal für seinen geliebten Karneval und verpflanzt nach einem Wiesn-Besuch das Oktoberfest in die Domstadt. 2006 erlebt der Macher vom Rhein dann sein persönliches Sommermärchen. Er lässt Deutschland-Fähnchen für Autos produzieren und kurz darauf fährt fast kein Auto im Land ohne das schwarz-rot-goldene Statement. Über 100 Menschen arbeiten damals für ihn. Struth stellt zahlreiche Projekte zur WM 2006 auf die Beine. Trotzdem nimmt sein Leben in dieser Zeit eine schwergewichtige Wendung.
Bei einem Essen rät ihm sein Bekannter Reiner Calmund zu vorgerückter Stunde: „Volker, Du musst auch Spielerberater werden. Du hast alles, was man braucht. Ich glaub an Dich. Gemeinsam könnt ihr was schaffen!“ Wieder fackelt Struth nicht lange und schafft Fakten, anstatt sich die Bedenken Anderer anzuhören. Mit Reiner Calmund und Dirk Hebel ruft er „SportsTotal“ ins Leben. Der ehemalige Leverkusen-Manager öffnet ihm viele Türe, in die Struth ohne Zögern hineinstürmt. Nach endlosen Gesprächen im Wohnzimmer der Familie, erhält Struth den Zuschlag von Jahrhunderttalent Mario Götze. Damit steigt er endgültig zu einem Big Player der Szene auf. Legendär der Wechsel von Götze 2013 von Borussia Dortmund zum FC Bayern, als dieser Transfer am Abend vor dem Champions League-Halbfinale des BVB gegen Real Madrid öffentlich wird. Struth bestreitet bis heute vehement, die Wechsel-Sensation an die Medien lanciert zu haben.
Inzwischen sind Treffen mit dem 53-Jährigen herausfordernd: Zwei Handys vibrieren im Minutentakt, 4000 Nummern hat er gespeichert. Immer wieder verlässt er den Raum. Aber man kann ihm nicht böse sein. „Sorry, war der Kalle aus München“, entschuldigt er sich gerne mit Kölschem Charme und einem Augenzwinkern. Wenn seine Nummer auf einem Display erscheint, hebt die A-Prominenz des Fußballs ab. Ein Vorurteil geht ihm allerdings seit Jahren auf die Nerven: Das Image der geldgierigen Berater, die nur auf das eigene Konto schielen und ihre Spieler wie auf dem Viehmarkt anbieten. Bei diesem Thema rechnet der Geschäftsmann vor, dass er an einer Vertragsverlängerung genauso verdient, wie an einem Transfer. Ihm sei jedoch klar, dass Wechsel über 100 Millionen schwer zu vermitteln sind, selbst wenn sie sich wirtschaftlich rechnen.
„Ein Leben auf der Überholspur“ – selten passt eine Phrase so exakt wie auf die Karriere von Volker Struth in den letzten 25 Jahren. Doch vor zwei Jahren funkt sein Körper SOS. Im Urlaub auf den Malediven erleidet er einen Blinddarmdurchbruch. Nach einer sechsstündigen Odysee zum Krankenhaus rettet ihn nur eine Not-OP. Eine Woche später darf er zurück nach Deutschland fliegen, muss zwei Monaten im Krankenhaus liegen, findet danach aber zu altem Tatendrang zurück. Er pendelt mit seiner Freundin Melanie zwischen dem Rheinland und Mallorca, wo er seit vielen Jahren ein Eigenheim besitzt. 2017 ließ er sich nach über 22 Ehejahren von seiner Frau Martina scheiden, mit der er zwei erwachsene Kinder hat.
Sitzt man mit Struth länger zusammen, hat er eine zweite Lebensweisheit parat: „Die Vernünftigen halten durch. Die Leidenschaftlichen leben.“ Und da ist er: Der perfekte Untertitel für den Hollywood-Blockbuster über das Leben von Volker Struth.