Weißrussland spielt, die KHL macht erst mal Playoff-Pause

von Redaktion

Dass der Osten Europas in der Coronakrise anders agiert, ist auch Polit-PR – Zwei Viertelfinalisten steigen aus

VON GÜNTER KLEIN

München – Wird irgendwo auf der Welt noch Eishockey gespielt? Ja, in zwei Ländern lässt man nicht locker. Die weißrussische Extraleague steckt gerade mitten in den Halbfinalserien, dabei ist Yunost Minsk, ein Verein, dem der EHC München vergangene und diese Saison in der Champions League begegnet ist. Auch in Russland wird weiterhin der Puck eingeworfen – in der NMHL, der nationalen Juniorenliga mit 17 Vereinen. Keine Coronakrise im Osten?

Nun doch, das lässt sich nicht mehr leugnen. Die Kontinental Hockey League (KHL), die trotzig weiterspielte, als selbst die hochkommerzialisierte NHL in Nordamerika ihre Hallen schloss, hat am Dienstag vermeldet: Playoff-Pause bis 10. April. Danach will man die Saison zu Ende bringen – bis spätestens 30. April.

Die KHL ist die Eishockeyliga, die weltweit die größte Fläche abdeckt. Die 24 Clubs kommen nicht nur aus Russland, sondern auch Weißrussland, Kasachstan und Lettland. Zudem spielen ein Team aus Peking mit (Kunlun Red Star) und der finnische Traditionsverein Jokerit Helsinki mit. In Peking war Corona früh gegenwärtig, die KHL entzog sich dem Problem, indem es die Mannschaft, die sportlich zu den schwächeren zählt und keine Chance hatte, sich für die Playoffs zu qualifizieren, nur noch auswärts antreten ließ. Die reguläre Saison brachte die KHL, die als zweitstärkste Liga der Welt gilt, zu Ende, die erste Runde der Playoffs auch. Doch von den acht Clubs, die sich fürs Viertelfinale qualifizierten, sprangen zwei ab.

Jokerit Helsinki, das ein Anwärter auf den Gagarin Cup gewesen wäre, meldete sich ab. KHL-Präsident Alexej Morozow erklärte: „Wenn Jokerit entgegen dem Ratschlag der finnischen Regierung und des Gesundheitsministeriums am Montag nach St. Petersburg gereist wäre, hätten die Spieler ihren Versicherungsschutz riskiert.“ Der zweite Rückzug kam von Barys Nur-Sultan (früher Astana), dem kasachischen Club. Doch auch in Moskau hatte Corona zuletzt an Präsenz gewonnen. Vom Erlass des Bürgermeisters, Veranstaltungen mit mehr als 5000 Teilnehmern zu untersagen, war das Derby Dinamo – Spartak im Achtelfinale betroffen. Weil man nicht wusste, wie man die Tickets hätte verteilen sollen, entschloss man sich, die Serie mit einem Spiel ohne Publikum zu Ende zu bringen.

Kritik von den Medien erntete die KHL, weil sie sich erst „in Rücksprache mit den staatlichen Autoritäten“ und im Zusammenschluss mit Fußball- und Basketball-Liga zur Pause entschloss. Eigener Antrieb zu einer Entscheidung war nicht zu erkennen. Und die Nähe der KHL zur Politik wieder einmal augenfällig.

SKA St. Petersburg ist der Heimat- und Lieblingsverein von Russlands Präsident Wladimir Putin, in den vergangenen Jahren kamen immer Spekulationen auf, dass alles getan würde, damit SKA Meister wird. Als Trainer Oleg Znarok es 2018 trotzdem versemmelte, war er auf Befehl von oben auch sofort seinen Zweitjob als Nationaltrainer los – obwohl er bei den Olympischen Spielen gerade Gold gewonnen hatte.

Eishockey ist Putins Sport – und die Bühne, um Russlands Unverwüstlichkeit darzustellen. Bis voriger Woche stand sogar das Angebot an die International Ice Hockey Federation (IIHF), die für die Schweiz (Lausanne, Zürich) geplante WM 2020 zu übernehmen, eventuell zusammen mit Weißrussland. Eine Gruppe in Sotschi, die andere in Minsk. Weil Corona diese beiden Länder nicht tangiere.

Dass die KHL spielte, war aber nicht nur Polit-, sondern auch Sport-PR. Die Kontinental Hockey League hatte ja mal den Plan, die NHL abzulösen. Sie gab sich einen ähnlichen Modus, eine ähnliche Optik (die Arenen, die Trainer in Anzügen, das Cheerleader-Programm), sie expandierte. Und erlebte das Scheitern: Die Franchise in Zagreb, Kroatien gab auf, der slowakische Topclub Slovan Bratislava trat wieder aus, in der Schweiz, Schweden und in Deutschland fand die KHL bislang keinen Standort. Nach Zürich ausgelagerte KHL-Spiele fanden in einer nur halb gefüllten Halle statt – kein Vergleich mit Gastspielen von NHL-Teams, die in Europa binnen Stunden ausverkauft sind.

Dabei ist die KHL eine sportlich attraktive Liga. Und für Spieler, die in der NHL nicht unterkommen, eine lukrative Alternative. Der deutsche Nationalspieler Brooks Macek, Olympia-Silbermedaillengewinner und bis 2018 beim EHC München, spielte, nachdem ihn NHL-Club Las Vegas trotz starker Vorstellungen im Farmteam nicht übernehmen wollte, 2019/20 für Automobilist Jekaterinburg und wurde mit 24 Toren und 22 Vorlagen in 62 Spielen zehntbester Scorer der KHL. Der Ex-Augsburger Matt White war erfolgreichster Stürmer bei Neftechimik Nischnekamsk.

Ihre Teams sind im Achtelfinale ausgeschieden, wie fast alle Nordamerikaner haben Macek und White Russland inzwischen verlassen – schon um einer drohenden Einreisesperre in die USA oder nach Kanada zuvorzukommen.

„Wir würden Helsinki und Nur-Sultan wieder einsteigen lassen“, sagt KHL-Chef Morozow. Mit sechs Teams kann man kein richtiges Viertelfinale austragen. Der Notplan: Die verbliebenen sechs Clubs spielen in einem Turnier mit zwei Dreier-Gruppen den Gagarin Cup aus. „Doch es kann auch sein, dass wir die Saison nicht zu Ende bringen“, räumt Morozow inzwischen ein.

Ihre Offensive wird die KHL verschieben müssen auf die nächste Saison. In der sie sportpolitische Verstärkung bekommen könnte: René Fasel, Schweizer IOC-Mitglied und seit zwei Jahrzehnten Boss der IIHF, soll eine hochrangige Stelle bei der KHL angeboten werden.

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