Ein Märchen wird 50

von Redaktion

Am 22. März 1970 stiegen Milbertshofens Handballer in die Bundesliga auf

VON PATRICK REICHELT

München – So ganz lässt die alte Heimat die Helden von einst auch in diesen Tagen nicht los. So radelt man halt mal vorbei an der Milbertshofener Apfelbeck-Halle. Wenigstens mal servus sagen. Wenn die große Party schon nicht steigen kann. Gestern jährte er sich zum 50. Mal, der Tag, an dem einst das Milbertshofener Handball-Märchen begann.

Es war der 22. März 1970, als der TSV im Rückspiel der Aufstiegsrunde die SG Dietzenbach mit 18:13 abfertigte. Nach Augsburg hatte man dafür ausweichen müssen, weil München zwei Jahre vor Olympia noch keine taugliche Halle zu bieten hatte. Machte aber nichts. „Es waren 3000 Zuschauer da, die meisten aus München“, erinnert sich Milbertshofens damaliger Kapitän Gerhard Ochsenkühn, „das war eine schöne Karawane.“

Und es war der Beweis, wohin vorausschauendes Handeln einen Verein tragen kann. Ende der 60er hatte der Club als einer der ersten im Land Abschied vom angestaubten Feldhandball genommen, um sich voll auf die attraktivere Hallenvariante zu konzentrieren. Talent hatte man dank guter Jugendarbeit ohnehin reichlich. Doch die Milbertshofener Führung um Ernst Sedlmeier und Emil Graf verstand es auch, einen Menschen nach München zu lotsen, der die Qualität zu nutzen wusste. Hans Moser, 1965 mit Rumänien Weltmeister, ließ sich für das Projekt begeistern.

Und der Routinier bastelte als Spielertrainer aus dem Milbertshofener Talentschuppen tatsächlich eine schlagkräftige Bundesligamannschaft. Denn auch nach dem Aufstieg blieb sich der Verein selbst treu. Ins Bundesliga-Team rückten vor allem Talente aus dem Verein oder der Region. Spieler wie Josef Kiener, Rudolf Dobler oder der Wolfgang Sommerfeld. Oder wie Jochen Frank, den das Lehramtsstudium nach München führte.

Heraus kam eine Mischung, die sich in einer Liga behauptete, die damals das Beste war, was die Sportart weltweit zu bieten hatte. Mannschaften wie Göppingen, der TV Großwallstadt und vor allem der VfL Gummersbach waren über die Grenzen führend. Und auch wenn die Milbertshofener als reine Amateure auftraten – Spiele wurden am Spieltag mit dem Zug bereist, Geld zu verdienen gab es außer kleinen Aufwandsentschädigungen nicht – man hielt mit. „Vor allem weil der Zusammenhalt enorm war“, sagt Ochsenkühn. Der 76-Jährige steht fast schon symbolisch dafür. 50 Jahre lang war er Milbertshofen als Spieler und Trainer treu

Zehn Jahre lang dauerte das Märchen an. Bis schließlich nicht zuletzt der Aufschwung des Lokalrivalen MTSV Schwabing der Sache ein Ende setzte. Und Milbertshofen wieder rausrutschte aus der ersten Reihe des deutschen Handballs. Mitte der Achtzigerjahre kam man noch einmal wieder. Doch das war anders, es war ein gestyltes Profiprojekt mit den Millionen des Unternehmers Ulrich Backeshoff. 1993, unter anderem nach dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger, war auch dies Geschichte und Handball in Milbertshofen endgültig im Niemandsland.

Die Helden von einst aber gibt es noch heute. Man trifft sich regelmäßig, meist im Biergarten neben der Apfelbeck-Halle. Und auch die große Jubiläumsparty wird es irgendwann geben, verspricht Ochsenkühn: „Das ist nur aufgeschoben.“

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