München – Er ist der Mann, der im deutschen Triathlon den Ton angibt. Als Bundestrainer (Vertrag bis Ende des Jahres) hat Faris Al-Sultan eigentlich vor allem eine Aufgabe: Er soll die deutschen Dreikämpfer auf die Olympischen Spiele in Tokio vorbereiten. Und bis zuletzt war das Unternehmen des einstigen Ironman-Champions auch auf einem guten Weg. Vor allem der Staffel war nach Silbermedaillen bei Europa- und Weltmeisterschaft einiges zuzutrauen. Doch die Coronakrise hat auch den Triathlon voll erfasst. Alle Wettkämpfe sind bis auf Weiteres abgesagt. Noch hat Al-Sultan das Saison-Highlight allerdings nicht abgeschrieben. Olympia noch nicht abzusagen, hält er für richtig, wie er im Interview erklärt.
Der Alltag sieht aktuell zwangsläufig auch für einen Bundestrainer anders aus. Wie viel sportliche Arbeit ist jetzt noch möglich? Wie sieht sie aus?
Schwierig, meine Aufgabe besteht ja unter anderem darin, auf Wettkämpfe zu fahren und das entfällt natürlich. Zweitens ist kaum eine Planung möglich, da wir ja schlicht nicht wissen, wie und wann es weitergeht. Die jeweiligen Heimtrainer bemühen sich gerade darum, die Athleten bei Laune zu halten und, so geht es geht, bei den schwierigen Rahmenbedingungen zu trainieren. Einige nutzen die Zeit, um an Dingen zu arbeiten, die sonst vielleicht zu kurz kämen.
Wie steht es um die Gesundheit ihrer Athleten?
Mir ist kein Coronafall bekannt. In dieser Hinsicht ist alles normal.
Die Arbeit ist auf einen besonderen Höhepunkt gerichtet – die Olympischen Spiele. Im Moment läuft eine heiße Diskussion, ob sie stattfinden dürfen. IOC und OK sind klar dafür positioniert. Thomas Bach sagt, man würde Athleten den olympischen Traum nehmen im Falle einer Absage. Einzelne Fachverbände und zuletzt auch Athleten wie der Fechter Hartung sagen nein. Wie stehen Sie dazu?
Ich finde, dass es zu früh ist, um die Flinte ins Korn zu werfen. Wir sind Athleten, und die hoffen immer. Auch nach Verletzungen, sportlichen und privaten Tiefs gibt man ja auch nicht gleich auf. Wenn es dann in ein paar Wochen notwendig ist, die Spiele zu verschieben, ist auch niemand überrascht oder enttäuscht, sondern hat vollstes Verständnis.
In vielen Sportarten stehen noch Qualifikationen aus. Wie weit ist der Triathlon auf dem Weg nach Tokio?
Wir sind in der glücklichen Lage, bereits unsere Staffel und damit vier Athleten – zwei Herren, zwei Damen – qualifiziert zu haben, und zwei der Teilnehmer stehen auch fest: Laura Lindemann und Jonas Schomburg. Die beiden weiteren Startplätze sowie die Ersatzleute würden bei uns in einem internen Wettkampf im Leistungszentrum Kienbaum Ende Mai ermittelt werden. Dort würde es einen Einzelwettkampf im „Zeitfahrmodus“ geben, welchen wir praktisch auch noch unter so etwas wie „Quarantänebedingungen“ abhalten könnten. Mir ist natürlich völlig klar, dass das eine komplett andere Situation ist als bei den meisten anderen Verbänden.
Wie schwer wiegt das Fehlen von Wettkämpfen in der Vorbereitung?
Das ist für uns ähnlich schlecht wie für andere Verbände. Man braucht natürlich Wettkämpfe, um eine Spitzenform auszuprägen und Wettkampfhärte zu bekommen.
Olympiastützpunkte öffnen teilweise für einzelne Athleten mit Ausnahmegenehmigungen – und auch in Hamburg, wo die Beachvolleyballer trainieren dürfen. Ist Vergleichbares auch für Triathleten denkbar?
Hier ist es mehr als bedauerlich, dass bisher lediglich Einzellösungen für verschiedene Sportler vorhanden sind und der DOSB seinen Einfluss für eine Gesamtlösung für das Team Deutschland nicht geltend machen konnte. Einige unserer Athleten haben Zugriff auf Schwimmmöglichkeiten, andere wiederum nicht. Es ist ein Trauerspiel.
Interview: Patrick Reichelt