Eine Frage des Alters

von Redaktion

Bei Neuer und Bayern hakt es – Rummenigge: Auch in der Krise faire Preise

VON HANNA RAIF UND MANUEL BONKE

München – Ein Geburtstag in Isolation, das ist für März- und April-Kinder heuer bitter. Vielleicht eine kleine Torte, aber bestimmt keine große Party, kein geselliges Beisammensein, keine Umarmungen. Im Fall von Manuel Neuer fiel am Freitag auch das obligatorische Vor-dem-Training-Ständchen im Kreis auf dem Rasen aus. Der Kapitän des FC Bayern kann sich aber immerhin glücklich schätzen, dass seine Kollegen virtuell alles gaben. Die Cyber-Trainingseinheit des Tabellenführers nämlich wurde am Ehrentag des Nationaltorhüters mit einem „Happy Birthday“ aus allen Teilen Münchens gestartet. Die Profis trällerten aus voller Kehle.

34 Jahre ist Neuer also nun, alt oder jung, daran scheiden sich die Geister. Mitte 30, das ist für Fußballer ein fortgeschrittenes Alter, für Torhüter aber eher nicht. Uli Stein und Wolfgang Kleff spielten ewig, Gigi Buffon hütet als 42-Jähriger das Juve-Tor, und selbst Oliver Kahn machte 2008 erst Schluss beim FC Bayern, als er fast 39 war. Nun ist er 50 Jahre alt, und als Neu-Vorstand mittendrin in den Verhandlungen, die mit seinem Nach-Nachfolger geführt werden. Sie sind schleppend, sie ziehen sich, und ein Ende ist rund ein Jahr und zwei Monate, ehe Neuers Vertrag beim FC Bayern ausläuft, noch nicht in Sicht. Weil die Parteien sich nicht einig darüber werden, ob der übliche Reflex der Branche – über 30 gibt es nur noch kurze Verträge – auch für den Mann im Tor gilt. Der FC Bayern sagt: ja. Neuers Seite sagt: nein.

Die Spekulationen um einen möglichen Abgang des Kapitäns wurden in der vergangenen Woche befeuert. Trotzdem gibt sich Karl-Heinz Rummenigge in der Causa Neuer betont entspannt. „Für Manuel gilt dasselbe wie für alle genannten Spieler, deren Verträge im Sommer 2021 auslaufen“, sagt der Vorstandsvorsitzende gegenüber unserer Zeitung. Bereits „vor der Corona-Krise“ seien „Angebote unterbreitet“ worden: „Und wir wollen die Corona-Krise jetzt auch nicht ausnutzen, um diese verdienten Spielern im Preis zu drücken.“ Heißt: Die Bayern wollen fair bleiben, werden sich aber angesichts der aktuellen Situation nicht übernehmen. Das von Neuer geforderte Gesamtpaket – lange Vertragslaufzeit, hohes Gehalt – ist ihnen zu groß.

Es ist kein Geheimnis, dass Neuer der erste aus der Garde der bis 2021 gebundenen Spieler war, mit dem Verhandlungen geführt wurden. Weit bevor Thomas Müller, David Alaba und Thiago in die Chefetage gebeten wurden, durfte Neuer vorstellig werden. Trotzdem verließ sein Berater Thomas Kroth die Säbener Straße vergangene Woche mal wieder unverrichteter Dinge. Gerüchte folgten natürlich prompt: Vom Interesse aus Chelsea wurde berichtet, Spaniens Medien denken an ein Tauschgeschäft: Marc-Andre ter Stegen nach München, Neuer zu Barca. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Rummenigge vertraut bei den verdienten Spielern auf das Gesamtpaket, das „mia san mia“. Der 64-Jährige sagt: „Ich denke, dass all diese Spieler wissen, dass sie im FC Bayern einen sehr soliden und sehr zuverlässigen Arbeitgeber haben, der sehr fair mit ihnen umgeht.“ Auch der Bayern-Boss jedoch weiß, dass die Beziehung zwischen Neuer und dem Verein in den vergangenen Monaten gelitten hat. Die Verpflichtung von Alexander Nübel ist dem Kapitän sauer aufgestoßen, seinen Unmut tat er kund („bin kein Statist, bin Protagonist“). Eine Einsatzgarantie-Klausel für Nübel ist zwar nicht vertraglich fixiert, trotzdem soll der aktuell gebeutelte Schalker in Neuers Schatten lernen. Um ihn irgendwann zu beerben.

Dieses „Irgendwann“ muss jetzt definiert werden. Neuer hat einen großen Horizont, er blickt auch über Bayerns Grenzen hinaus. Am Ende aber, davon darf man ausgehen, wird er auch seinen 35. Geburtstag in München feiern. Und seinen 36. und 37. auch.

Artikel 1 von 11