Das Ansinnen des Fußballs

Extrawurst am Lagerfeuer?

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Es gab Zeiten, in denen der Fußball in Deutschland bestimmender aufgetreten ist. Fast schon arrogant: In den Hochzeiten der Nationalmannschaft vor ein paar Jahren ließ der DFB eine Studie anfertigen, deren Ergebnis lautete, dass die Kickbranche so etwas wie die vierte Gewalt im Staate sei. Gebärdet hat sich der Fußball danach stellenweise aber so, als bestimme er die Geschicke der Republik. Schön zu sehen, dass der Fußball jetzt erkennt, dass er nicht weit oben steht. Er hat an Relevanz verloren, weil die Menschen erkennen, dass die Frage, ob man gesund oder krank ist, bedeutsamer ist als die nach der Farbe des Vereins. Karl-Heinz Rummenigge hat gestern gesagt: „Wir unterwerfen uns der Politik.“ DFL-Chef Christian Seifert meint: „Der Fußball braucht keine Extrawurst.“

Bevor er sich aber zu klein macht: Natürlich beansprucht er durchaus eine gesonderte Behandlung. Denn er argumentiert nach wie vor mit seiner Größe und der Bedeutung, die er für die Menschen in normalen Zeiten hat. Christian Seifert hat das Anliegen des Fußballs geschickt verpackt. Das Virus habe Hunderttausende Menschen befallen, stecke aber vor allem in 80 Millionen Köpfen. Und wenn man bedenke, dass ein Viertel der Bevölkerung einen Spieltag der Bundesliga über die diversen Medien verfolge, dann seien diese Matches doch etwas, was die Menschen beschäftige, ihnen die Zerstreuung gebe, die sie in der Krise ersehnen. Auch Andreas Rettig, der zu den Protagonisten des Fußballs zählt, die das eigene Treiben eher kritisch bewerten, zitierte bereits den Lagerfeuer-Effekt (den man auch Anti-Lagerkoller-Maßnahme nennen könnte). Um den Fußball herum kann man sich versammeln (momentan auch mit dem gebotenen Abstand zueinander) und an ihm wärmen.

Der Fußball hat Argumente, um Ansprüche zu stellen, dass die Politik ihn, sobald es möglich ist, wieder in Gang setzt. Problem allerdings: Die gewichtigste Branche machen zu lassen würde zu Unfrieden im Rest der Sportszene führen. Die Begehrlichkeiten würden von allen Seiten erhoben werden: Was ist mit Leichtathletik, mit Radrundfahrten, mit Tennisturnieren, Schwimmtraining, mit Hand-, Basket-, Volleyball. Dann stünde der Fußball doch wieder über den anderen, das Leiden wäre kein gemeinschaftliches mehr. Es wird eine schwere Entscheidung werden. Für alle Seiten.

Guenter.Klein@ovb.net

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