München/Frankfurt – Nicht mehr Trainer, Spieler und Manager sind die bestimmenden Figuren im Fußball, sondern Mediziner. Jedem seinen Virologie-Experten – im Fall der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist es Frau Professorin Barbara Gärtner, Mikrobiologin und Infektionsepidemiologin. Sie ist neben dem Orthopäden Werner Krutsch (Regensburg) und dem Sportmediziner Markus Braun Mitglied einer „Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb“, die die 36 Vereine der 1. und 2. Bundesliga am Dienstag ins Leben riefen. Chef ist Tim Meyer (Saarbrücken), Ziel des Gremiums: „Erstellung eines Konzepts mit dem Ziel der medizinisch vertretbaren Fortführung des Spiel- und Trainingsbetriebs.“
Bis auf Infektionsfachfrau Gärtner haben alle in der Task Force engen Fußballbezug. Tim Meyer ist der Internist der deutschen Nationalmannschaft (und machte Abitur bei Volker Finke, der später ein bekannter Bundesligatrainer wurde), Werner Krutsch wird regelmäßig von der FIFA konsultiert, Markus Braun ist Mannschaftsarzt von Borussia Dortmund (und Sprecher der Bundesliga-Teamärzte). Mit ihnen bereitet die DFL sich darauf vor, einen Spielbetrieb anzubieten, den die Behörden absegnen würden. Konkret geht es laut Mitteilung darum, wie „eine engmaschige, unabhängige Testung von Spielern und weiterem Personal unter anderem unmittelbar vor den Spieltagen durchgeführt werden kann“. Bisherige Infektionsfälle von Spielern sollen zentral erfasst und für die Organisation des Trainingsbetriebs ein Leitfaden erstellt werden.
In England wurden Pläne publik, den Rest der Saison geballt durchzuziehen, die Teams der Premier League an zwei Standorten unter strengsten Hygieneauflagen zusammenzuziehen. So weit, das hat die DFL erkennen lassen, will sie nicht gehen. Sie beabsichtigt, an ihren Standorten festzuhalten und den Clubs das Heimrecht, wenn auch ohne Zuschauer, zu erhalten. Ein Auftrag, den die virtuelle Versammlung bekam, ist die Erstellung von „standortbezogenen Produktionskonzepten“. „Für jeden Verein ein eigenes“, so DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. Wie viele Leute braucht man, um ein Spiel über die Bühne zu bringen? Schon bei einer vorangegangenen Sitzung war angesprochen worden, dass nur, wer beruflich dort tätig sei, ins Stadion dürfe. Es geht, so Seifert, ums „Minimalstmögliche“.
Der deutsche Profifußball ist bereit, Spiele in steriler Atmosphäre stattfinden zu lassen – weil er sie braucht, um das Geld aus dem Fernsehvertrag zu bekommen. Ohne die letzten beiden Raten müssten bis zu 750 Millionen Euro, so die Angaben der DFL, abgeschrieben werden. „Müsste die Saison abgebrochen werden“, so sagte FC-Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge nach der DFL-Videokonferenz bei „Sky Sport News“, würde dies „für alle 36 Clubs ein großes finanzielles Leiden bedeuten“.
Für alle Fälle lockert die DFL die strengen Vorgaben bei der Lizenzierung. „Wir wollen den Vereinen das Leben nicht noch schwerer machen“, erklärt Christian Seifert. Im anstehenden Zulassungsverfahren für die Saison 2020/21 wird darauf verzichtet, die Liquidität der Clubs zu überprüfen. Und wenn tatsächlich ein Verein (oder seine Kapitalgesellschaft) Insolvenz anmelden müsste, würden ihm für die neue Saison nicht neun Punkte abgezogen werden, nur drei.
Kleiner Haken an der Sache: Statt Ende Oktober will die Liga dann schon Mitte September wieder prüfen. Bei Liquiditätslücken käme es zu Transferverboten für den betreffenden Club. Zur übernächsten Saison, 2021/22, soll wieder nach den bekannten Vorgaben lizenziert werden. Nach den Prognosen der Wirtschaftsinstitute soll im kommenden Jahr wieder Wachstum einsetzen. Und im Fußball Normalität einkehren.
Die virtuelle Vollversammlung der DFL ist dem Vorschlag des Präsidiums gefolgt, den Spielbetrieb bis 30. April für ausgesetzt zu erklären. „Bis dahin rollt auf keinen Fall der Ball“, sagte Rummenigge. „ideal wäre, wenn wir ab Mai spielen“. Sollte das nicht möglich sein („Wir unterwerfen uns der Politik“), soll ein neues Szenario entworfen werden, die Saison mit allen Entscheidungen (Meisterschaft, internationale Qualifikation, Ab- und Aufstieg) auch nach dem 30. Juni, dem Tag, an dem Verträge auslaufen, zum Abschluss zu bringen.
Am 17. April werden sich die 36 Vereine mit Christian Seifert wieder in einer großen Videoschalte virtuell treffen. Dann können sie vielleicht eine Tendenz in den Entscheidungen der Politik in Sachen Einschränkungen des öffentlichen Lebens absehen. Auseinander gegangen sind sie am Dienstag zumindest mit dem Gefühl, dass „in der größten Krise, die wir je hatten, nicht nur im Fußball, die Clubs solidarisch zusammenstehen“.