München – Vielen Tennisspielern ist ihr Training aktuell sehr vertraut. Nur um fünf Monate zeitversetzt. Fitness, Kraft, Balance, Schnelligkeitsausdauer: das trainieren die Profis eigentlich im Dezember als Vorbereitung für das neue Jahr. Genau das trainieren die Stars jetzt in Zeiten der Virus-Einschränkungen. Allerdings mit zwei gravierenden Unterschieden. Erstens: Sie haben momentan keine andere Wahl. Und zweitens: Sie wissen nicht, wofür sie genau trainieren. Bis zum 26. April sind alle Turniere abgesagt. Als nächstes großes Event wird Wimbledon heute die Absage für Ende Juni verkünden.
Für ihre Zwangspause zeigen die meisten Spieler Verständnis, wie der amtierende French-Open-Champion im Doppel, Kevin Krawietz vom Bundesligisten TC Großhesselohe: „Tennis ist gerade zweitrangig. Wichtiger ist, dass wir als Gesellschaft die Situation unter Kontrolle bekommen und Abstand halten“, so Krawietz. Dennoch sind er und seine Kollegen professionelle Athleten, die für die Zeit nach Corona gewappnet sein müssen. Diese Aufgabe geht jeder auf seine Art an – je nachdem was für Möglichkeiten sich vor Ort bieten.
Jan-Lennard Struff, Nummer 34 der Welt, zum Beispiel ist zu seinen Eltern nach Warstein in Nordrhein-Westfalen gereist. Der 29-Jährige absolviert dort eine straffes Programm in enger Absprache mit seinem Fitness-Coach Uwe Liedtke. Ebenfalls zu Hause quält sich Andrea Petkovic. Von ihrem Haus bei Darmstadt aus, in dem sie mit Schwester Anja lebt, dokumentiert sie ihre Einheiten auf Instagram und lädt Fans zum Mitmachen ein.
Andere deutsche Spitzenspieler, wie Philipp Kohlschreiber und Julia Görges müssen genauso ohne Schläger und Spielfeld zurecht kommen. In Oberhaching wurde die TennisBase (Bundesstützpunkt des Deutschen Tennis-Bundes) vom Gesundheitsamt bereits Mitte März geschlossen. Über einen Sonderantrag, dass zumindest die Profis das Leistungszentrum wieder nutzen dürfen, hat die Staatskanzlei noch nicht entschieden. Nach Informationen unserer Zeitung würde der Stützpunkt jedoch selbst bei einer Genehmigung die Profis nicht wieder auf die Anlage lassen, sondern dies nur in einer koordinierten Aktion aller Leistungszentren veranlassen.
Komfortablere Trainingsbedingungen finden die beiden deutschen Topstars vor. Angelique Kerber und Alexander Zverev dürfen in der Corona-Krise auf dem Platz Bälle schlagen. Zverev in der „Saddlebrook Tennis Academy“ in Florida, wo die Nummer 7 der Welt auch Teile seiner Jugend verbracht hat.
Kerber in ihrer Tennisakademie im westpolnischen Puszcykowo, die ihr gehört und von den Großeltern geführt wird. Kollegin Laura Siegemund muss ebenfalls nicht auf das Platz-Gefühl verzichten. Wie Alexander Zverev weilt die gebürtige Filderstädterin derzeit in Florida. „Bis jetzt ist das für mich richtig, weil es hier im Gegensatz zu Europa schön warm ist und ich besser als daheim auch noch ein Supertraining auf dem Tennisplatz absolvieren kann“, berichtet die 32-Jährige aus den USA. Seit Anfang März hält sich die Weltranglisten-65. mit ihrem italienischen Freund und Trainer Antonio Zucca dort auf.
Einen Vorteil kann man sich, laut Experten, derzeit auf dem Trainingsplatz allerdings nicht erarbeiten. Erst recht, wenn die Saison frühestens im Oktober 2020 fortgesetzt wird. So prognostiziert es Dirk Hordorff: „Wenn wir im Oktober wieder spielen können, wäre ich heilfroh“, blickt der DTB-Vizepräsident auf düstere kommende Sportwochen.
Es sieht ganz so aus, als würde Andrea Petkovic noch eine Zeit lang täglich zum Personal Training in ihr Wohnzimmer bitten.