Verlängerte Abschiedstournee

von Redaktion

Turn-Bundestrainerin Koch muss die Rente verschieben – offiziell ist noch nichts, aber sie plant für Olympia 2021

München – Wolfgang Willam ist gerade im Stress. Virtuelles Meeting, na klar, so ist es halt zur Zeit. Der neue Alltag hat auch den Sportdirektor des Deutschen Turner-Bundes (DTB) eingeholt, es gibt in diversen Videoschalten viel zu besprechen. Die Zukunft von Bundestrainerin Ulla Koch zum Beispiel? „Nein nein, das hat keine Eile.“

Tatsächlich hat in den olympischen Sommer-Sportarten ja im Moment Vieles keine Eile, denn die Verschiebung der Spiele von Tokio hat alle Planungen zunichtegemacht. Statt in der unmittelbaren Olympia-Vorbereitung befinden sich die Turner und Turnerinnen im Homeoffice und Ulla Koch, die Chefin der Damen, zuhause in Bergisch Gladbach. Im Kopf tüftelt die 64-Jährige schon aus, wie die kommenden eineinviertel Jahre zu gestalten sind. „Ich plane bis nächstes Jahr. Bis dahin halten wir alle noch durch“, wurde sie am Wochenende zitiert. Dabei läuft ihr Vertrag nach 15 Jahren im Amt eigentlich Ende des Jahres – also nach ihrem 65. Geburtstag und ursprünglich nach den Olympischen Spielen – aus. Angedacht war die verdiente Rente.

Beim DTB musste man schmunzeln, als die Sätze von Koch publik wurden. Denn die Sachlage ist wie folgt: „Es gab einen Austausch, aber abschließend, formal und juristisch ist die Absprache noch nicht.“ Willam gibt sich in der Sache entspannt, Koch hingegen möchte sich auf Nachfrage erst wieder äußern, wenn ihre Verlängerung auch offiziell ist. Bis Ende Juni soll das geschehen, sagt Willam.

Koch hatte ursprünglich darauf spekuliert, dass die Olympischen Spiele im Frühjahr 2021 nachgeholt werden, also vor ihrem formalen Renteneintritt im Mai. Es steht aber auch außer Frage, dass sie bis August 2021 weitermachen kann, darf und will. Zwar seien Gespräche mit möglichen „Nachfolgerinnen“ – Willam betont, dass es um weibliche Kandidaten geht – geführt worden. Der 63-Jährige aber geht davon aus, „dass wir diese bis dahin einbinden können“. Als Favoritin gilt Claudia Schunk, langjährige Cheftrainerin der Juniorinnen.

Koch war erst im Januar vom IOC für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden, ihr Verdienst um das deutsche Frauen-Turnen ist enorm. Unter ihr reifte unter anderem Elisabeth Seitz zu einer der weltbesten Turnerinnen, wurde Pauline Schäfer Balken-Weltmeisterin und das DTB-Team zu einer echten internationalen Größe. Mit der Absage der Spiele hat sie sich abgefunden, sie hofft, „dass wir jetzt die Chance auf eine richtig gute Olympia-Vorbereitung haben“. Obwohl es, wie Willam sagt, „bei null losgeht“.

Jeder müsse sich „aus dem Loch raus kämpfen“, wenn normales Training wieder erlaubt sei. Trainingsintensive Sportarten wie das Turnen sind besonders betroffen, „man startet bei etwa 40 Prozent seiner Leistungsfähigkeit“. Gut, dass der DTB eine Chefin wie Koch an Bord hat. Zumindest inoffiziell. H.RAIF

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