München – Am Ende war Karl Geiger dann doch vor allem froh, dass die Sache vorbei war. Kein Wunder, sechs Monate lang hatte seine Bachelorarbeit Deutschlands besten Skispringer im vergangenen Jahr begleitet. „Das ist dann schon ein sportliches Pensum gewesen“, sagte Geiger heute.
Aber es hat sich dann ja auch gelohnt. Der Oberstdorfer hat seither seinen Abschluss in der Tasche. Energie- und Umwelttechnik heißt die Sache, der sich der 27-Jährige in den letzten Jahren neben der Arbeit an seiner Springerkarriere in Kemptens Fachhochschule widmete. Und die zukünftig ganz nebenbei sogar seiner Heimatgemeinde eine schöne Ersparnis einbringen dürfte.
Wie das funktioniert? Geiger nahm in seiner Abschlussarbeit den Eisaufbereitungsprozess im Oberstdorfer Eisstadion unter die Lupe. Schon einmal gesehen hat die Sache wohl so ziemlich jeder. Es geht um die jene überdimensionierten Eiszubereitungs-Maschinen, die unter anderem beim Eishockey in den Drittelpausen ihre Runden drehen um wieder für eine glatte Oberfläche zu sorgen. Vereinfacht gesagt wird bei diesem Vorgang heißes Wasser auf dem Eis verteilt. Die kalte Oberfläche und die unter ihr montierten Kühlschlangen tun dann ihr übriges. Wasser wird erhitzt und wieder abgekühlt – „ich habe mir gedacht, dass dieser Prozess optimiert werden kann“, sagte Geiger.
Um das zu überprüfen, brachte der Allgäuer mit dem Faible für mathematisches Denken unter anderem Messfühler im Wassertank des Eisaufbereiters an. Senkte die Temperatur schrittweise ab und ließ das Ergebnis von den Eismeistern prüfen. Heraus kam verkürzt gesagt: Die jährlich rund 7000 Aufbereitungsvorgänge auf den drei Eisflächen der Marktgemeinde können „bis zu 9600 Euro“ billiger werden. Auch wenn ihm die Praxisarbeit und die mit ihr verbundenen Berechnungen weit besser schmeckten als das unvermeidliche Ausformulieren („Das liegt mir doch um einiges weniger“) – die Tüftelei könnte einige Zukunft haben, wie Karl Geiger befindet. Auch für ihn selbst: „Ich kann mir schon vorstellen, in dem Bereich irgendwann zu arbeiten.“
Wobei ihm die Erkenntnisse seines Studiums durchaus auch in seiner derzeitigen Karriere von Nutzen sind. „Auch beim Skispringen geht es ja darum, Kraft möglichst effizient einzusetzen“, erklärte er. Auch diese Seite hat er manchmal im Kopf, wenn er am Video über die Qualität seiner Sprünge nachdenkt. „Mir hilft das abstrakte Denken um zu verstehen, wie die Bewegungsabläufe besser werden können“, sagte er. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass er als vergleichsweise großer Springer (1,83 Meter) gerade beim Absprung präziser und sauberer arbeiten muss um seine längeren Beine optimal zu nutzen.
Es ist bei Geiger ein Baustein auf der Suche nach dem perfekten Sprung, der natürlich auch die Nummer zwei des Gesamtweltcups der vergangenen Saison in seiner Karriere verfallen ist. Gefunden hat er ihn noch nicht, wie er sagte, „irgendwas findest du immer, was noch besser geht.“ Im gerade beendeten Winter ist er der Sache einige Male zumindest ziemlich nahe gekommen. Bei seinen vier Siegen wie zuletzt in Lahti. Aber nicht zuletzt auch in Garmisch-Partenkirchen, auf der großen Bühne Vierschanzentournee, wo er mit 141,5 Metern im zweiten Durchgang Platz zwei einflog. „Der war schon richtig gut“, schwärmte Geiger.